Imesha
In Situationen wie diesen war ich nicht wirklich anwesend. Ich ließ eine andere Imesha handeln. Wie bei meinen abendlichen Besuchen beim Kaiser. Ich nahm alles wahr und gleichzeitig glaubte ich in einem sehr schlechten Traum festzustecken, in dem ich die Böse spielen musste. Das Blut an meinen Händen war nicht echt. Die Wunden, die ich diesem Mann zufügte, waren nur brutale Fantasie. Dass ich ihn am Hals packte und die Spitze des Messers in die dünne Haut bohrte ohne eine lebensgefährliche Stelle zu treffen, das passierte in einer anderen Wirklichkeit. Nur die Antworten, seine geröchelten Worte, waren echt. Es waren zwar nicht viele Worte, aber die Namen, die fielen, reichten mir.
Mit einer gezielten Bewegung durchtrennte ich die Halsschlagader und ließ ihn an seinem Blut ersticken. Einen anderen Tod hatte er sowieso nicht verdient. Wären wir in seine Fänge geraten, hätte er uns geradewegs zurück in die Hölle gebracht. Zurück zum Kaiser. Ein Albtraum, den ich nie wieder durchleben wollte. Emotionslos reinigte ich das Messer sowie meine Hände im sauberen Schnee und wunderte mich, dass mir nach wie vor warm war. Vielleicht lag es an Ryus Magie, die noch zu wirken schien. Denn nach dieser Aktion hätte mir eiskalt sein müssen. Wie alle anderen Male zuvor auch. Ich erhob mich mit einem mulmigen Gefühl im Bauch, straffte die Schultern und erstarrte, als ich geradewegs in Ryus Gesicht blickte. Mir war offenbar entgangen, dass er dort gestanden und mir zugesehen hatte. Wieso tat er das? Wieso wollte er diesen Teil von mir sehen, von dem ich mich selbst jedes Mal abwandte? Ich sah ihn nicht weiter an, sondern an ihm vorbei in die Leere des Horizonts. >Kaiser Oda weiß, dass wir alle zusammen unterwegs sind. Er hat nicht nur Kenji losgeschickt. Er wird wissen, dass er getötet wurde. Es war Magie, die uns verraten hat. Dunkle Magie.<
Der Griff um das Messer wurde fester. >Auch wenn der Assassine es nicht wusste, so bin ich mir absolut sicher, dass er auf Kosten magischer Wesen diese dunkle Magie gewirkt hat. Das tut er nicht zum ersten und auch nicht zum letzten Mal. Auf diese Weise wird er uns immer finden können. Wir müssen nur schneller sein. Jederzeit bereit für einen weiteren Kampf.<
Cael
Diese Schreie, das Gebrüll... Ich würde es nie wieder aus meinem Gedächtnis löschen können. Diese Erfahrung prägte sich ein wie ein Brandmal. Wie Imesha es schaffte jemanden zu foltern, ohne bereits beim ersten qualvollen Aufschrei aufzuhören, ging über mein Verständnis hinaus. Ich konnte mir die Welt in ihrem Kopf einfach nicht vorstellen. Umso mehr überraschte es mich zu welch freundlichen Gefühlen und Gesten sie fähig war. Von ihrer Selbstlosigkeit mal ganz abgesehen. Es tat mir aufrichtig leid, dass sie sich irgendwie verantwortlich fühlte diese unmenschliche Tat auszuführen, um uns einen Vorteil zu verschaffen. Nicht einmal ein Danke wäre angebracht. Eher eine Entschuldigung. Niemand sollte so etwas tun müssen.
Trotzdem zog es Imesha durch, bis ich nichts mehr hörte. Die folgende Stille war mir nie zuvor so deutlich aufgefallen. Ich atmete schwer aus, als hätte ich die ganze Zeit die Luft angehalten und lockerte daraufhin meine Umarmung, damit Ilea wusste, dass die Folter vorbei war. Dann drehte ich mich halb zu meinem besten Freund und Imesha. Sie erwähnte dunkle Magie und das war alles, was ich wissen musste, um unsere beschissene Lage zu begreifen. Verdammt!