Cael
Ilea wirkte entspannter als zuvor, demnach hatte meine Aufmerksamkeit ihr geholfen. Das freute mich. Ich ertrug es nicht sie niedergeschlagen zu sehen. Seit ich sie getroffen hatte, war sie zu oft in der Dunkelheit umhergeirrt, deshalb wollte ich, dass sie jeden Tag ein wenig mehr lächelte. Trotz der heiklen Umstände. Da wir momentan in Sicherheit waren, sollten wir das zum Besten ausnutzen und bald essen, weil mein Magen sich allmählich leerer als leer anfühlte. Da halfen die leckeren Düfte nicht, die die ganze Küche erfüllten.
Mit meiner Aufgabe war ich zumindest fertig, deshalb konnte ich Ilea im nächsten Schritt unter die Arme greifen. Mir gefiel es mit ihr zu kochen. Mir hatte es schon damals gefallen ihr zuzuhören, wenn sie mir ihre Arbeit in ihrem kleinen Laden erklärte. Diese Vertrautheit zu zweit war schön. Anders als sich gegenseitig nackt zu erkunden. Eine weitere angenehme Art der Intimität.
Imesha
Ich suchte nach der bestmöglichen Frage, um das Gespräch zu beginnen und entschied mich letztendlich für das Thema, das mich momentan am meisten interessierte. Unsere Verbindung. Diese Magie, die sich völlig natürlich anfühlte, als wirkte sie nicht zum ersten Mal. Chiku verstand und hob den Kopf, um mich direkt anzusehen. Sein intensiver Blick ging mir unter die Haut und dann sah ich plötzlich Bilder vor meinem geistigen Auge, die mein Herz vor Aufregung höherschlagen ließen.
Da war dieser Mann. Der Mann aus meinen Träumen. Mein Vater. Den, den ich vergessen hatte und an den ich mich endlich wieder erinnerte. In meinem Hals wurde es eng, als ich sein breites Lächeln sah. Die warmen braunen Augen. Das strahlende Leben im Gesicht. Er hob mich mühelos auf seine Schultern, lachte über etwas und zeigte auf... eine wunderschöne Wölfin mit ihrem Jungen. Da erkannte ich die unverwechselbare Ähnlichkeit. Chiku und... seine Mutter. Wir waren uns tatsächlich schon einmal begegnet. Mehrmals wie es schien, denn es folgten weitere Bilder in einem tiefgrünen Wald, an einem tränenförmigen See, in einer schneebedeckten Landschaft und nahe der Wärme eines großen Lagerfeuers. Es fühlte sich an, als würde mir Chiku Stück für Stück Erinnerungen zurückgeben, die ich verloren hatte. Ich hielt sie alle fest. So fest wie möglich. Nie wieder wollte ich sie vergessen. Ich wollte verstehen, woher ich kam und warum ich nicht mehr bei meiner Familie war.
Chiku stupste mich mit seiner feuchten Nase an, ein mitfühlender und zugleich trauriger Glanz in seinen Augen. Durch die Verbindung zwischen uns spürte ich schmerzlichen Verlust. Eine tiefe seelische Wunde. Ich musste nicht fragen, um zu erfahren, dass auch er jemand Wichtiges verloren hatte. Seinen Platz an der Seite seiner Mutter. Ob meine Eltern ebenfalls tot waren? Diese Antwort konnte er mir leider nicht geben. Er wusste es nicht. Vielleicht war es besser so. Oder nicht. Ich gab ein leises Schniefen von mir, weil ich im Moment zu viel auf einmal fühlte und versuchte mich erneut auf das Wesentliche zu konzentrieren. Auf die Frage, ob wir so etwas wie Gefährten waren und ob er mich zu meinem Zuhause vor meiner Zeit im Palast führen konnte, um mehr herauszufinden. Ersteres beantwortete er mit einem warmen Anflug von Freundschaft, Letzteres mit einem ernüchternden Nein. Offenbar war er an diesen Ort gebunden, um ihn mit seiner Magie vor allen anderen zu verstecken. Dies war sein Platz. Sein Erbe. Er erfüllte die Aufgabe, die einst seiner Mutter gehört hatte.