Imesha
Plötzlich legten sich zwei starke Arme um mich und ein warmer Körper schob sich an meinen. Mir entfuhr ein wohliger Seufzer. Ryu. Er war wieder zurück. Das bedeutete, dass das Buch uns keine Probleme mehr bereiten würde. Sehr gut. Ich entspannte mich noch mehr und blinzelte zu ihm hoch. Er war immer noch in seiner halben Drachengestalt. Seine Flügel lagen zusammengeklappt an seinem Rücken. Ich erinnerte mich an seinen wilden Ausdruck, als Cael ihn fast angegriffen hätte. Diese animalische Seite hatte ich zum ersten Mal an ihm gesehen. Jetzt sah ich nur klare Wärme in seinen schönen Augen. Ich kuschelte mich enger an ihn und beschloss mir nachher darüber Gedanken zu machen. Im Moment wollte ich lieber schlafen. Da Ryu bei mir war, rechnete ich mit keiner Gefahr. Bei ihm war ich sicher. So wie Ilea alles gegeben hatte, um ihren Mann zu retten, würde Ryu dasselbe für mich tun. Er liebte mich. Er hielt mich in seinen Armen und ich schlief prompt ein.
Cael
Wie ich es geschafft hatte plötzlich an diesem Ort aufzuwachen, blieb mir ein Rätsel. Hier wirkte alles ganz normal. Weite Wiesen, eine sanfte Brise, Wildblumen und eine Hütte, in der Ilea und ich viele schöne Nächte verbracht hatten. Offenbar waren Körper und Geist zu erschöpft, um in der Realität aufzuwachen. Deswegen war ich hier. An einem anderen sicheren Ort, der mich erdete. Ich wusste genau, was passiert war und wie ich die Kontrolle über mich verloren hatte. So etwas war mir nie zuvor widerfahren. Fest stand, dass ich das nie wieder erleben wollte. Diese Machtlosigkeit, die Hilflosigkeit, wenn man dabei zusehen musste, wie man die eigenen Leute, seine eigenen Liebsten, angriff. Schrecklich, einfach schrecklich. Ich wünschte, ich könnte die Erinnerung daran aus meinem Gedächtnis löschen, aber das wäre feige. Das erlebt zu haben, ähnelte einem Weckruf. Hier waren Mächte im Spiel, für die ich nicht gewachsen war. Oftmals hatte ich wirklich geglaubt, mir könnte in dieser Welt kaum einer etwas anhaben. In meiner Welt gehörte ich zu den stärksten Nachfahren, Animagi hatten mich wochenlang ausgebildet... Was sollte mir schon passieren? Wie schnell man sich doch irren konnte...
Seufzend ließ ich mich ins knöchelhohe Gras sinken und starrte zum Horizont. Die Sonne ging unter. Eine Spiegelung dessen, wie ich mich gerade fühlte. Ich war schockiert, frustriert und verdammt erleichtert, dass ich niemanden ernsthaft verletzt hatte. Und dass ich wieder bei Sinnen war. Dabei hatte ich das allen zu verdanken. Vor allem Ilea. Ihr Licht hatte noch nie heller gestrahlt, als sie mir unverwandt in die Augen geblickt und mich von innen heraus geheilt hatte. Diese Art von Reinheit, dieses Strahlen... unbeschreiblich.