"Hi, ich bin die Tollpatschige, Schüchterne von vorhin." Diese SMS erreichte mich beim gemeinsamen Abendessen. Gottseidank hatte ich nicht vergessen, mein Handy auf lautlos zu stellen, sonst hätte ich es sofort abgenommen bekommen. Während dem Abendessen waren hier im Heim alle Mobilgeräte verboten und hatten auf den Zimmer zu bleiben. Als es Probleme mit dem kleinen Johnny auf der anderen Seite des langen Tisches gab, sah ich mir die SMS kurz unter dem Tisch an, hatte aber keine Zeit zurückzuschreiben, da sich Johnny wieder beruhigt hatte und nun brav weiteraß. Er hatte öfter Störungen, da er noch von dem Tod seiner Eltern, den er miterlebt hatte, traumatisiert war. Meine Eltern hatte ich nie kennengelernt, meine Mutter war bei meiner Geburt gestorben und mein Vater hatte sich daraufhin ohne Rücksicht auf seinen kleinen Sohn das Leben genommen. So war ich in diesem Heim aufgewachsen und da ich mich gut anpassen konnte, hatte ich nie irgendwelche Probleme gehabt. Man lernte schnell, dass wenn man nicht kuschte und die Regeln befolgte, Strafen folgten. Wobei ich nicht an all die schlimmen Strafen, von denen die anderen erzählten, glaubte, dann wäre hier schon längst irgendeine Behörde aufgekreuzt.
Auch während dem Gottesdienst direkt nach dem Mittagsessen konnte ich ihr nicht antworten, ebenso wenig beim Klettertraining. Erst als ich abends absolut kaputt im Bett lag, schrieb ich ihr "Hi, hoffe du konntest wenigstens einen Teil deines Ordners retten! Gute Nacht und Schlaf gut
". Erst hatte ich statt dem Smiley ein Herzchen stehen gehabt, wollte aber nicht zu aufdringlich sein und hatte es deshalb lieber durch ein lächelndes Gesicht ersetzt. Danach schlief ich wie jeden Abend sofort ein, die Tage waren einfach zu anstrengend, als dass ich es mir leisten könnte, noch länger aufzubleiben oder es überhaupt aushalten könnte.