"Hast du schon mit deiner Tante gesprochen und dich vergewissert, dass sie dich abholen kommen?", forschte mein Vater interessiert nach, während er und meine Mutter mich zum Flughafen fuhren. Um 16:45 Uhr sollte mein Flieger nach Australien starten.
"Ja, sie haben noch gestern versichert, dass sie 100 Prozent dort sein werden.", beruhigte ich meinen Vater und drehte mein Gesicht zur Autoscheibe um, ehe ich mich erneut meinen orange roten Haaren widmete. Meine Naturhaarfarbe war hellbraun, doch diese Farbe die ich zurzeit hatte, war einfach viel cooler. Anschließend nahm ich mein Samsung Galaxy S2 raus und schaute auf die Uhr. Noch rund 15 Minuten bis Düsseldorfer Flughafen.
"Und bist du schon sehr aufgeregt, mein Liebling? Immerhin wirst du zwei ganze Monate im Heimatland deines Vaters verbringen.", fragte meine Mutter mit solch einer Vorfreude, dass ich ihr am liebten gesagt hätte, dass sie an meiner Stelle gehen sollte. Denn um ehrlich zu sein, hatte ich gar keine Lust dazu. Wozu auch? Zwei Monate Rundreise in einem Staat, was mich sowieso nicht reizte. Wenigstens schien die Sonne und somit waren die Fensterscheiben runtergekurbelt, sodass frische Luft rein kam. Als meine Mutter merkte, dass ich ihr keine Antwort geben würde, drehte sie sich zu mir um, grinste kindlich und forderte mich glücklich auf: "Bitte Avery, ignoriere mich nicht. Ich freue mich doch nur, weil du wenigstens zu deiner Tante fliegen kannst. Sie wird sich sicher sehr freuen und jede freie Minute mit dir genießen. Vergiss nicht, dass sie deine einzige Tante von Papas Seite ist. Zudem hat sie Kinder in deinem Alter."
"Mama, du weißt das ich lieber nach Ibiza mit meinen Freundinnen gereist wäre, außerdem ist meine Cousine stets mit irgendwelchen Typen, die nicht mal eine garantierte Zukunft haben unterwegs und wer weiß, was mein Cousin macht.", konterte ich seufzend, doch meine Eltern schienen wirklich gut gelaunt zu sein, sodass sie diese Anmerkung völlig ignorierten und mein Vater bloß das Radio, wo zurzeit "Whistle" von Flo Rida lief lauter drehte. Dabei pfiff er sogar mit und als wenn das nicht reichen würde, kicherte meine Mutter wie ein verliebtes Teeniemädchen und legte ihre Hand auf seinen Oberschenkel. Gott, wie peinlich...
Endlich kamen wir an. Mein Vater parkte auf dem Parkplatz, zahlte die Gebühr für 15 Minuten, nahm meine Reisetasche aus dem Kofferraum und zu dritt betraten wir den Flughafen. "Oh Darling, schau doch mal... Die Schlange ist ja sehr lang.", merkte meine Mutter, meinen Vater wie ein kleines Kind am Ärmel ziehend an und staunte nicht schlecht.
"Wie viele Leute passen eigentlich in Qantas rein?", wollte meine Mutter interessiert von meiner Vater erfahren.
Dieser überlegte kurz, ehe er meiner Mutter ein Kuss auf die Lippen drückte und antwortete: "Schatz, das weiß ich jetzt nicht so genau, aber ich glaube 255 Economy, 32 Premium, 52 Business und 14 First." Wieder staunte meine Mutter und nickte nur leicht. Während wir an den Schalter liefen, schlang meine Mutter ihren Arm um meine Schulter und bat: "Bitte vergiss nicht, gleich als erstes deiner Tante die Regenbogenkekse zu überreichen. Du weißt ja, wie verrückt sie danach ist."
"Findest du es nicht ein wenig übertrieben, dass ich 23 Stunden lang auf diese Kekse achten soll?", quittierte ich mit einer Augenbraue in die Höhe gezogen.
"Den Keksen passiert schon nichts, aber wenn du merken solltest, dass sie schlecht werden, kannst du sie auch wegschmeißen."
"Oder du isst sie dann selbst", witzelte mein Vater, und legte sein Arm um Mama's Hüfte.
"Es ist echt krass, wie ihr nach 25 Jahren Beziehung immer noch wie frisch verliebt seit.", wechselte ich nun ernstgemeint das Thema und beide fingen an zu grinsen, schauten sich gegenseitig tief in die Augen und küssten sich wie immer leidenschaftlich.
"Nun ja, damals war ich eben 15 Jahre alt und auch ein kleiner Playboy der oft mit Mädchen flirtete. Nur bei deiner Mutter konnte ich nicht landen und das machte sie so interessant. Gott, Elma du hast mir echt den Kopf verdreht gehabt, obwohl du erst 13 Jahre alt warst. Aber ich bin froh das wir 2 Jahre später doch ein Paar wurden."
"Ja, ich auch Jackson.", erwiderte sie total verschämt und legte ihre Hand auf ihren Bauch. "Erinnerst du dich noch daran, dass ich dir damals als ich 19 Jahre alt war sagte, dass ich schwanger bin?"
"Natürlich, nach vier Jahren Beziehung war das der Höhepunkt und bei dieser Erinnerung klopft mein Herz selbst heute noch so wild.", lautete die amüsierte Antwort meines Vaters.
Ich war zwar kein Wunschkind, aber als meine Mutter schließlich schwanger wurde, wussten meine Eltern bereits, dass sie mich trotz allem haben wollten und da meine Mutter ihre Ausbildung zur Sozialassistentin abgeschlossen hatte, war es auch nicht weiter schlimm. Mein Vater studierte zu dieser Zeit Bankwesen. Diese Geschichten kannte selbst ich auswendig. Dennoch war es interessant mit anzusehen, wie beide es erzahlen konnten, als sei es erst gestern. Das mein Vater hier in Deutschland und meine Tante, seine ältere Schwester in Australien ist liegt nur daran, dass die Eltern meines Vaters, also meine Großeltern, als die Kinder noch 10 waren hierher kamen und nachdem meine Tante Lehramt studiert hatte, zog sie mit meinen Großeltern wieder zurück, wo sie wenige Jahre später meinen angeheirateten Onkel kennenlernte und heiratete. Mein Vater blieb natürlich hauptsächlich nur für meine Mutter zurück und nachdem ich geboren wurde, heirateten sie ebenfalls.
"Der Nächste bitte", sprach die Angestellte und mein Vater legte meinen Koffer auf das Laufband und nachdem die Blondhaarige in dem Uniform das Gewicht gemessen hatte, klebte sie den Streifen drauf und mein Koffer fuhr davon. Anschließend reichte sie uns das Ticket, beschrieb den Weg zum Gate und wünschte eine gute Reise. Bei der Passkontrolle mussten sich meine Eltern von mir verabschieden. Während meine Mutter einige Tränen weinte, ja, sie war nah am Wasser gebaut, drückte mich mein Vater fest und küsste mich auf die Wange. "Pass gut auf dich auf und grüß mir alle." Ich nickte knapp, gab meiner Mutter einen kurzen Kuss auf die Lippen und ging durch die Kontrolle. Danach ging alles sehr schnell und nach fast einer Stunde saß ich nun im Economy Class auf Platz 34c. Ich nahm die Kopfhörer, die ich noch vom letzten Flug hatte raus, steckte sie an den Sitz an und lehnte mich zurück. Zum Glück saß ich auf der Fensterseite, denn auf den anderen Plätzen fühlte ich mich nicht wohl. Inzwischen waren fast alle Plätze im vorderen Bereich. außer die neben mir besetzt. Hoffentlich kommt auch keiner mehr hin.