Leanne:
Trotz der besten Schuhe, die ich je anhatte, fühlte ich mich wackelig auf den Beinen, so als wäre das einzig Erdenkbare, dass ich nur schlafwandelte und alles wieder normal sein würde, wenn ich die Augen wieder aufschlagen würde. Ich musste meine Augen einfach schließen, um mich zu beruhigen und aufzupassen, nicht das Gleichgewicht auf dieser teuflischen Metallscheibe zu verlieren. Das Metall wurde von der Sonne reflektiert. Wie konnte an so einem Tag nur die Sonne scheinen? Aber vielleicht hatten sie das ja auch nur inszeniert. Ich schaute hinunter auf die Metallscheibe, um nicht direkt in die Kameras zu starren und überlegte, ob diese Scheibe schon einmal benutzt wurde. Dann könnte ich jetzt auf der stehen, auf der vor ein paar Jahren meine ältere Schwester zum Spielzeug für das Kapitol geworden ist. Und jetzt habe ich ihren Platz eingenommen. Mit dem Unterschied, dass das Schicksal sicherlich nicht vorsieht auch mich hier wieder mehr oder weniger heil heraus zu holen. Nein, es will meinen Eltern ihre beiden und einzigen Töchter nehmen. Die eine am Leben gehindert, der zweiten das Leben genommen. Ich hörte wieder meine Mutter, wie sie zwischen ihren verzweifelten Hilfeschreien und Zusammenbrüchen immer wieder murmelt:" Wie können sie uns alles nehmen, was unser Leben ausmacht-wenn auch nur zum Spaß- und dann noch etwas von uns fordern. Es gibt nichts, was sie uns nicht nehmen können und wollen. " Auf einmal hatte ich einfach furchtbare Angst um meine ganze Familie. Dass irgendwer ihre Worte hört oder dass meine Mutter sich selbst etwas antut. Ich dachte, es wäre am besten, wenn ich nicht an all das denke, was ich hinter mir lasse, an mein Zuhause, sondern ganz alleine an das Überleben. Aber jetzt weiß ich, dass das keinen Zweck hätte, denn wenn es etwas gibt, weswegen ich gewinnen sollte, dann sind es die Menschen aus Distrikt 7, die mir jetzt zuschauen und in Gedanken mehr als bei mir sind. Und ich kann mir vorstellen, wie sie toben würden, würde ich nicht wenigstens kämpfen. Entschlossen schlug ich die Augen auf starrte in die Kameras.
Rowan:
Meine Augen wanderten zu jedem Augenpaar der 24. Jeden durchbohrte ich direkt an, sodass sie für einen winzigen Augenblick meinen intensiven Blick erwidern mussten. Eine Millisekunde der Irritation und dem Kennenlernen. Ich will wissen, wen ich töte-oder wen auch nicht. Bei ihr-dem wildblonde Mädchen aus meinem Distrikt-bleibe ich kurz hängen. Armes Ding. Scheint in der Familie zu liegen, das große Los zu ziehen, an den Spielen teilnehmen zu "dürfen" . Auf einmal spielt es keine Rolle mehr, ob sie die Tochter des Försters oder ein Waldarbeiter wie ich ist. Vielleicht ist es sogar von Nachteil. Aber sie braucht keine Angst vor mir zu haben: Mit ihrem Vater würde ich es mir schon nicht verscherzen. Den kann ich genauso gut gebrauchen, wie Panem mich gebrauchen kann. Ich hoffe, sie haben meine Ansage während des Interviews richtig verstanden. Mein Distrikt in jedem Fall. Der steht voll und ganz hinter mir.