Kersia
Da diese Prüfung zeitaufwendiger war, nahm ich wieder Platz und griff zum Kelch Wasser, um mehr Energie zu tanken. Meine Magie wirkte nach wie vor einwandfrei, bislang nichts Ungewöhnliches. Jahwe schlug sich wie erwartet sehr gut, er hatte inzwischen die ersten beiden Schlüssel gesammelt. Es war beeindruckend, wie schnell er sich den verschiedensten Situationen anpasste und immer eine gute Lösung fand. Fähigkeiten, die man benötigte, wenn man ein ganzes Volk führen wollte.
Und meine eigene Fähigkeit schlug plötzlich doch noch Alarm. Ein unangenehmer Schauder erfasste mich, als ich mich kurz versteifte und sofort versuchte die Quelle des Übels zu lokalisieren. Die Schwingungen kamen von der rechten Arenaseite. In den obersten Reihen, relativ weit außen. Gut versteckt. Anhand der Vibration im Wasser vermutete ich eine gefährliche Beschwörung. Ein schlechtes Zeichen.
Ich stand abrupt auf und warf meiner Freundin Geia einen vielsagenden Blick zu. Sie verstand. Mit meiner Mutter hingegen musste ich nicht kommunizieren. Wir hatten bereits darüber gesprochen, was ich tun würde, sollte ich Gefahr wahrnehmen. Ich spürte Kais eisigen Blick in meinem Rücken, als ich die Tribüne verließ und fragte mich, ob er wusste, was gerade passierte. Meine Schritte beschleunigten sich, sobald ich außer Sichtweite war und auf dem Weg schnappte ich mir den Umhang, den Geia in einer Nische versteckt hatte. Ich legte ihn mir hastig um und kaschierte damit sowohl mein auffälliges Aussehen als auch meine Magie. Ich war sozusagen unsichtbar und beeilte mich.
Suchend glitt mein Blick umher, irgendwo musste der Magi sein, aber zwischen all den Menschen war es schwer eine einzige, vermutlich unscheinbare Person ausfindig zu machen. Davon ließ ich mich aber nicht entmutigen, musste aber angespannt innehalten, als mehrere schockierte Ausrufe erfolgten. Jahwe war nicht mehr allein im Labyrinth. Verdammt, ich war zu spät. Die Beschwörung war geglückt und plötzlich stand da ein meterhohes, rothäutiges Monster mit Hundegesicht. In der einen Hand trug es ein tödlich aussehendes Schwert und in der anderen einen Schild aus Leder. Mir entging auch nicht der Säbel an seinem Rücken. Eine Kreatur, die zum Kämpfen und Töten gerufen worden war.
Ich stieß einen wüsten Fluch aus. Wieder war ich zu spät dran, aber diesmal würde ich nicht untätig herumsitzen, sondern richtig handeln. Jahwes Sicherheit zu gewähren, war mir momentan wichtiger, als die Person zu finden, die dieses Monster beschworen hatte. So schnell mich meine Beine trugen und ohne, dass ich über den Saum des bodenlangen Kleides stolperte, flitzte ich die Treppen runter und hörte Geia laut rufen. Etwas Grelles blitzte in der Luft auf und ich fing es einhändig im Sprung auf, bevor sich der Schutzschild der Magi endgültig schloss. Auf Befehl meiner Mutter hatte sich über dem Labyrinth eine Kuppel geformt, damit keiner der Zuschauer zu Schaden kam. Ich bekam nicht viel mit von den Reaktionen, denn mein Fokus lag allein auf der Bestie und Jahwe, der sich ihr entgegenstellte. Auch wenn mir bewusst war, dass er über die nötigen Fähigkeiten verfügte, um sie zu besiegen, musste er das nicht allein durchziehen.
Während ich rannte, zog ich das Schwert in einer einzigen geschmeidigen Bewegung aus der Scheide. Geschliffener Knochen. Wie ein übergroßer Zahnstocher. Damit würde ich arbeiten können. Ich spannte meinen Schwertarm an, holte aus und stieß mit aller Kraft nach vorne, sodass der übergroße Muskelprotz nach dem direkten Treffer aufbrüllend nach hinten stolperte. Mit der freien Hand zog ich dann den Umhang aus und warf ihn beiseite. Ohne den Feind aus den Augen zu lassen, machte ich schnell ein paar Schritte zurück, bis ich auf Jahwes Höhe war. >Das ist jetzt unser Problem.< sagte ich ernst.
Zen
Kaum hatte sich Kersia neben mich gesetzt, war sie auch schon auf den Beinen und eilte davon. Fragend sah ich ihr hinterher, dann zu ihrer besten Freundin Geia, die sehr ernst dreinblickte. Hatte ich etwas verpasst? Ich schaute zurück zum Labyrinth, in dem sich Jahwe außerordentlich gut schlug und fragte mich, wie er so schnell die Schlüssel finden konnte. Sah er etwas, wozu wir nicht in der Lage waren? Bevor ich weiter darüber nachdenken konnte, begann der Boden zu beben und die Stimmung kippte. Willow gab ein Knurren von sich. Eine Warnung.
Angespannt stand ich auf und trat an die Brüstung, um besser sehen zu können, was dort unten vor sich ging. Im selben Moment erteilte Azuria den Befehl sofort einen Schutzschild zu errichten. Was gerade passierte, gehörte nicht zum Plan. Mein Blick klebte an Jahwe und dann an dem Monster, das wie aus dem Nichts erschien. Eine Beschwörung. Inmitten der Arena. Ein weiteres Attentat und das während so viele unschuldige Menschen anwesend waren. Wir mussten irgendetwas tun! Und wohin war Kersia-
Plötzlich erschien Geia mit einer Waffe neben mir und gab einen fast ohrenbetäubenden Laut von sich. Im selben Moment warf sie die Waffe in die Zuschauerreihen rechts von uns und mit großen Augen verfolgte ich die Flugrichtung, bis ich eine verhüllte Gestalt entdeckte, die sich rechtzeitig auf den Platz begab, bevor sich die Barriere endgültig schloss.
Meine Frage war hiermit beantwortet. Kersia war losgezogen, um Jahwe zu helfen.