Zen
Aufmerksam beobachtete ich Jahwe, der sich versteifte, als müsste er sich dem schlimmsten Feind entgegenstellen. In den meisten Fällen war es auch die eigene Angst, weshalb ich diese Reaktion nachempfinden konnte. Allerdings rechnete niemand mit der Dunkelheit, die plötzlich aus ihm strömte, während er selbst sich in der eigenen verlor. Sofort veränderte sich die Stimmung in der gesamten Arena und ich spürte, dass diese Magie einen Effekt auf mich hatte. Es rief eine ureigene Angst in mir hervor, schlimme Erinnerungen, absolute Einsamkeit und so, so viel Übel.
In meiner Brust spürte ich ein schmerzhaftes Krampfen, dumpf hörte ich Willows Worte in meinen Ohren. Sie hatte recht. Was da unten passierte, musste beendet werden. Ein kalter Schauder durchlief mich und plötzlich blitzte das Bild einer finsteren Höhle vor meinem inneren Auge auf. Glühende Augen. Schatten. Verzerrte Fratzen. Meine Atmung wurde schwerer und ich stand abrupt auf, stolperte fast über den Sitz, als ich mich umdrehte und fluchtartig die Tribüne verließ. Ich brauchte Abstand. Ich musste dieser Wirkung entfliehen. Ich wollte nicht zurück in diese Zeit reisen. Sie war zu schrecklich, selbst in Bildfetzen.
Kersia
Meine Augen klebten an seinem Gesicht, ich sah ihn so lange an, dass ich ihn aus dem Kopf heraus zeichnen könnte. Selbst die markanten Gesichtszüge, die sich allmählich zu einer Maske der Angst formten. Sein ganzer Körper spannte sich an, als wäre er zur Statue gefroren. Ich wartete noch ein bisschen, gab ihm eine kleine Möglichkeit diesen Bann zu brechen, doch spätestens bei dem dunklen Nebel wurde es Zeit zu handeln. Dabei spürte ich, dass es seine eigene Magie war, die die Kontrolle an sich riss. Dunkle Gefühle. Der tiefe Abgrund der Seele. Vielleicht lag es daran, dass ich oft genug in meinen eigenen Spiegel geblickt hatte, um seiner Wirkung widerstehen zu können.
Ich rief nach Nalu, wohl wissend, dass sich der treue Wächter in der Nähe befand, um seinem Prinzen zu helfen. Doch in der Zwischenzeit musste ich dafür sorgen, dass die Zuschauer von Jahwe abgeschirmt wurden. Er würde nicht wollen, dass seinetwegen das Volk zu Schaden kam.
Nach einem tiefen Atemzug bewegte ich die Hände in sanften Kreisen, sammelte mehr Wasser aus der Umgebung und formte damit eine schimmernde Seerose, die uns beide umschloss. Sobald Nalu da war, würde ich ein Blatt für ihn öffnen, um ihm Zutritt zu verschaffen. Als Nächstes trat ich ins Becken. Damit unterbrach ich die wirkende Magie der Quelle, das Spiegelbild verschwand. Ich ignorierte die dunklen, schweren Wolken, die Jahwe weiterhin umgaben und hob die Hände, die nun in einer dünnen Schicht Wasser steckten. Wie Wasserhandschuhe. Dann legte ich meine Fingerspitzen sanft an seine Schläfen und schloss die Augen. Bis Nalu eintraf, würde ich ihm auf meine Weise helfen, denn ihn unnötig weiter leiden zu lassen, widersprach meiner Natur.
Was ich vorhatte, hatte mir einst eine sehr alte, weise Meeresschildkröte gelehrt. Mithilfe des Wassers und der richtigen Magie war man in der Lage einen Teil von sich selbst mit einem anderen Wesen zu verbinden. Wie eine Strömung, die von einem Ort zum nächsten floss. Es musste nichts großartig Intimes sein. Ich selbst bestimmte, wie viel ich von mir preisgab und suchte nach der richtigen Erinnerung, in der ich viel Entdeckerlust, Spaß und Freude empfunden hatte. Ich zeigte ihm die Ruinen von Theion, einem meiner Lieblingsorte Unterwasser. Ich zeigte ihm die Tempel, die vielen, verschiedenen Blumen, all die Farben und Fische, die dort lebten. Ich schwamm zwischen den Säulen umher, mal tiefer, mal höher, betrachtete das sanfte Schimmern der Meeresoberfläche und folgte einem Schwarm Silberfische, die sich ruckartig bewegten und um die nächste Ecke verschwanden. Meine Hand fuhr dann durch weiches Algengras und in Gedanken summte ich die Melodie, die mich immer mit dem Meer verband.