Zen
Als ich den letzten Biss hinunterschluckte, hatte ich mich einigermaßen wieder im Griff. Ich trank noch mein Glas Wasser leer und gab ein entspanntes Brummen von mir. >Bevor ich es nachher vergesse, werde ich gleich die Nachricht an das Institut in Ocamma anschreiben. Wegen Jahwe und der Seelenheilung. Danach würde ich gerne im Bücherzimmer etwas lesen. Du darfst mir gerne Gesellschaft leisten, wenn du magst.< Man müsste meinen, wir verbrachten genügend Zeit miteinander, aber mir purzelten solche Worte schneller aus dem Mund als mir aktiv bewusst war. >Du kannst dich natürlich auch zurückziehen, falls du müde bist.< schob ich schnell hinterher, denn ich konnte nicht vorausahnen, was Willow wollte oder nicht. Außerdem waren mir die Regeln in einem Stamm größtenteils unbekannt. Nicht, dass ich sie dauernd dazu nötigte mir Gesellschaft zu leisten, obwohl sie lieber etwas für sich tun wollte.
Kersia
Ich zog eine Braue in die Höhe, als er sich die Beere einfach so in den Mund schob, ohne nach möglichen Nebenwirkungen zu fragen. Oder darüber zu grübeln, ob sie vielleicht giftig sein könnte. Dass er mir vertraute, konnte ich mir schwer vorstellen. Eigentlich war es schon ein kleines Wunder, dass er sich überhaupt auf mein Angebot eingelassen hatte, nachdem er immer wieder Andeutungen gemacht hatte, dass ihm meine Art nicht passte.
Bevor ich aber in meine eigene Gedankenspirale fiel, drehte ich mich um und zog ihn weiter hinab in die Tiefe. Auch mein Körper passte sich den kälteren Temperaturen an. Die Schuppen breiteten sich über meinen Bauch bis zu meiner Brust aus, vereinzelt sogar bis zum Hals. Dort öffneten sich weitere Kiemen, die mir beim Atmen unter diesem Druck halfen und die geschlitzten, vertikalen Pupillen ermöglichten mir eine bessere Sicht in diesen dunklen Gebieten, wo man kaum etwas vor sich erkannte. Meine Gesichtszüge hatten bestimmt auch an Weichheit verloren, ein Merkmal, das viele Leute an Land vergaßen, weil sie uns gerne mit den perfekten Schönheiten von Meerjungfrauen in denselben Topf warfen. Wir Sirenen hingegen besaßen eine deutlich wildere Seite, weniger ästhetisch, mit mehr Ecken und Kanten. Dafür sprachen auch die spitzen Zähne, aber die brauchte ich nicht für den Ausflug.
Wir erreichten eine kleine Gegenströmung, ich drückte Jahwes Hand etwas fester, um ihn nicht zu verlieren und bewegte die Flosse mit mehr Kraft. Der Schub reichte, bis wir das Ende der Strömung und damit den Eingang zu einer unterirdischen Höhle erreichten. Die schmale Öffnung reichte gerade noch für uns beide zum Hindurchschwimmen. Ich spürte zudem die Tiefseekreaturen um uns herum, die auf uns aufmerksam geworden waren, aber sie stellten keine Gefahr dar. Mit einem leisen Summen in der Kehle ließ ich sie wissen, dass wir in guter Absicht zu Besuch waren. Daraufhin erwachte die in Dunkelheit getauchte Tiefsee zum Leben.
Wir waren da.