Zen
Meine Mundwinkel zuckten verräterisch, als ich federleichte Küsse auf meinem Gesicht spürte. Willow hatte eine besondere Art mich zu wecken und ich genoss jede Sekunde davon. Vorher hatte ich zwar kein trostloses Leben geführt, ich hatte meinen Frieden mit allem gefunden, aber ihre Anwesenheit machte alles weitaus besser. Sie gab mir Magie, wo ich selbst keine wirken konnte. Die letzte Woche war wie im Flug vergangen. Zwischen regulärer Arbeit, Lernstunden mit Willow und einem sehr schönen Spieleabend bei Jahwe hatte ich auch meine Familie ein paar Mal besucht, um sie auf den neuesten Stand zu bringen. Für die Zwillinge war mein neu erwachtes Liebesleben gefundenes Fressen, Cue freute sich einfach für mich und meine Eltern wünschten mir wie immer das Beste. Und dass sie Willow gerne näher kennenlernen wollten. Bei einem gemeinsamen Abendessen. Wo mein Bruder Ryu fehlen würde, dem es hoffentlich gut ging in der anderen Welt. Ich vermisste ihn. Ich hätte ihm gerne Willow vorgestellt.
Seufzend öffnete ich die Augen, als ich beschloss den süßen Schlaf loszulassen. Heute konnte ich es immerhin entspannt angehen. Ich würde von zu Hause aus arbeiten und dann trainieren. Wenn man so viel Schreibtischarbeit zu erledigen hatte wie ich, musste man das anderweitig ausgleichen. Wobei... mit Willow und meiner Unfähigkeit die Hände von ihr zu lassen, bekam ich auch einiges an Bewegung in den Alltag integriert. Bei dem Gedanken wurde mir warm in den Ohren und als ich in ihr Gesicht blickte, musste ich unwillkürlich lächeln. Das Licht des Morgens spielte mit ihren verschiedenfarbigen Augen und ich versank jedes Mal darin. >Guten Morgen.< wünschte ich ihr noch heiser vom Schlaf. Ich küsste erst ihre Nasenspitze, dann die vollen Lippen, die mich magisch anzogen. Es freute mich, dass wir zusammen in den Tag starten konnten. Sie hatte ebenfalls ihre Arbeit zu erledigen und bislang machte es den Eindruck, als würde es ihr gefallen. Auch die Leute, mit denen sie zusammenarbeitete, schienen schwer in Ordnung zu sein und mit dem verdienten Geld konnte sie sich das ein oder andere leisten. Sie hatte sich äußerst gut eingelebt und ich war tief beeindruckt von ihr. Ich wusste selbst, wie schwärmerisch das klang und dass aus sehr mögen sehr viel mehr geworden war.
Kersia
Ich ließ mich von Nakola zu den Pilsfelsen führen, denn bevor mich der hektische Alltag erwischte, wollte ich hier erstmal meine Gedanken sammeln und Ruhe finden. Ausgerechnet ich, die normalerweise aufblühte, wenn viel passierte und meine Person gefragt war. Nur wurde ich zu oft gefragt in letzter Zeit und das zeigte sich an meinem dünnen, kurzen Geduldsfaden. Sehr gut möglich, dass ich gestern Nachmittag einer Krakenfrau wichtigen Standes hässliche Wörter an den hässlichen Kopf geschleudert hatte, nachdem sie bei einer Besprechung eine überaus dumme, ärgerliche Idee vorgebracht hatte. Inzwischen glaubte ich, dass die Kraken gar keine Lust mehr hatten ihr Anbändeln mit den Haien zu vertuschen. Besonders seit feststand, dass Jahwe zum König gewählt worden war und er offiziell übermorgen gekrönt wurde. Ich freute mich für ihn, wirklich, er hatte sich den Platz verdient und war ein guter Mann. Und das hatte absolut nichts mit seinen hervorragenden Qualitäten im Bett zu tun, wobei er mir damit sehr half Stress abzubauen. Es war eine kluge Entscheidung von mir gewesen sein Angebot anzunehmen. Geia hatte anfangs gelacht und es sogar irgendwie vorhergesehen, aber inzwischen erinnerte sie mich daran, mich nicht zu sehr von der ganzen Sache ablenken zu lassen. Für gewöhnlich befürwortete sie solche Regelbrüche, aber manchmal blitzte dann doch die Wächterin in ihr hervor.
Seufzend tätschelte ich Nakolas langen Hals, als wir den friedlichen Ort erreichten. Die andere Hand tauchte ich halb ins Wasser hinein, während ich die bunten Fischgruppen beobachtete. Es gab noch eine weitere Sache, die mich in letzter Zeit beschäftigte, aber sobald ich daran dachte, versaute es mir den Tag und ich wollte ihn lieber guten Gefühls beginnen. Nicht mehr so dünnhäutig sein. Was verdammt schwer war, wenn man in meinem Kopf lebte. Ich rollte mich vom Rücken meines Gefährten runter, platschte ins lauwarme Wasser hinein und erschreckte einige der Fische, doch sie erholten sich schnell davon und blieben in neugierigem Abstand zu mir. Ich schmunzelte. Schwamm tiefer, summte, brachte mich selbst und das Meer in Einklang. So war es schon viel besser.