Zen
Ich griff nach Willows Hand und drückte sie sanft. Obwohl uns eine kritische Zeit bevorstand, fühlte ich mich mit meiner Familie und ihr an meiner Seite mehr bereit, als wenn ich mich dem Ganzen alleine stellen müsste. So wie meine Eltern und alle anderen Beteiligten damals den fürchterlichen Krieg gemeinsam beendet hatten, so würden wir auch dieses Mal als Einheit für unseren Frieden sorgen. Daran musste ich fest glauben.
Als die Tür sich öffnete und Jahwe angekündigt wurde, blickte ich in seine Richtung und bemerkte sofort die Schwere, die auf ihm lastete. Es lag nicht an der Art, wie er den Raum betrat oder an seiner Mimik. Er wirkte entschlossen und bereit sich der Herausforderung zu stellen, selbst wenn er gerade mal nur einen Tag im Amt war, aber… ich bekam das Gefühl, als bräuchte er besonders heute den Rückhalt von Freunden. Mir erging es nicht anders. >Danke, dass du so schnell gekommen bist. Ich wünschte, wir hätten uns unter erfreulicheren Umständen wiedergesehen.< begrüßte ich ihn, nachdem ich aufgestanden war und ihn in eine freundschaftliche Umarmung gezogen hatte.
>Bitte setz dich, Jahwe.< ergriff nun auch mein Vater das Wort. >Möchtest du etwas trinken?< Im selben Moment klopfte es wieder an der Tür und diesmal betrat Azuria den Raum. In all ihrer Königlichkeit und dem Duft des Meeres, der stets an ihr haftete.
>An Tagen wie diesen verfluche ich mein langes Leben.< seufzte sie mit einem leicht gestressten Unterton.
Kersia
Ich betrat die Hütte und atmete erleichtert aus, als ich sah, dass der Spiegel nach wie vor auf dem Tisch lag. Bereit von mir entschlüsselt zu werden. Das Schwert legte ich zur Seite, darum würde ich mich später kümmern. Wichtiger war die Worte zu entziffern, die auf der Rückseite des Spiegels eingraviert und mit Magie verborgen worden waren. Sanft begann ich mit den Fingern die glatte Fläche abzutasten, bis die Tür mit so viel Schwung aufgestoßen wurde, dass sie gegen die Wand knallte. Für einen flüchtigen Moment hoffte ich einen rothaarigen Mann im Türrahmen stehen zu sehen, aber mir wurde schnell bewusst, dass es sich nur um meine Freundin und Wächterin handeln konnte. Ihre Aufgabe war es, in meiner Nähe zu bleiben. Nicht seine.
Frustriert seufzte ich auf. Geia tat es mir gleich. >War es wirklich so schwer für dich zurück zum Strand zu gehen, so wie wir es vereinbart hatten?< Da sie die Antwort auf diese Frage bereits kannte, konzentrierte ich mich wieder auf meine Aufgabe. Sie trat an meine Seite und blieb ein Weilchen stumm, während ich zusammenhanglose Gedanken vor mich hinmurmelte. Ich ertastete die ersten atlantischen Begriffe. Zählte sie auf. Prägte sie mir ein.
>Ich habe die Leichen gesehen. Du warst fleißig. Und da Nalu vor Ort ist, gehe ich davon aus, dass König Jahwe ebenfalls Bescheid weiß. Ich vermute, er ist jetzt dort, wo deine Mutter ist.< Sie machte eine kurze Pause. >Uns erwartet Krieg.<
Sofort hielt ich inne. Meine Augen weiteten sich und ein Zucken durchlief mich. Als ich in Geias ernstes Gesicht blickte, verknoteten sich meine Organe. >Das Orakel… es stimmt also.<
Sie nickte. >Wir sind immer davon ausgegangen, dass mit Krieg die Rivalität zwischen den Meerreichen gemeint ist. Allerdings haben wir uns geirrt. Die Gefahr kommt von außerhalb. Oder von beiden Seiten. Das sind verdammt schlechte Neuigkeiten.<
Deshalb hatte Jahwe so gewirkt, als würde ihm die Kontrolle entgleiten. Nicht nur die Goldene Maske stellte ein Problem dar, sondern zusätzlich ein Krieg. Ich stieß einen wüsten Fluch aus. Worte, die eine Prinzessin nicht kennen sollte. >Geia, ich brauche deine Hilfe. Mit dem Spiegel und dem Schwert. Je eher wir bedeutsame Hinweise finden, desto eher können wir ein lästiges Problem von der Welt schaffen, ehe uns das nächste ereilt.<
>Du weißt, du kannst immer auf meine Unterstützung zählen, Sia. Vorher möchte ich dich aber darüber aufklären, was sich heute Morgen zugetragen hat. Und es wird dir nicht gefallen.<