Saeda
Mein Vater begann mit einer sehr langen, herzzerreißenden Rede, die mir die Luft abschürte. Ich war wirklich drauf und dran erneut in Tränen auszubrechen, aber irgendwie schaffte ich es tapfer zu bleiben. Bria war hier irgendwo in der Nähe und ich wollte ihr das Gefühl vermitteln, dass man mit allem umgehen konnte. Auch mit dem Schmerz des Verlustes und einer neuen Aufgabe, die man von nun an zu erfüllen hatte. Sie sollte nicht aus den Augen verlieren, wie unnachgiebig unsere Mutter für ihre Wünsche und ihre Ziele gekämpft hatte. Und das würde ich auch tun.
Ich holte tief Luft, blickte ebenfalls Richtung Himmel und dann wandte sich mein Vater an mich. > In Ehren von Kleria, Hohepriesterin und Templerin der Drachen von Illyria, wird unsere Tochter, Saeda Yallysui ihre Nachfolge antreten und für den Bestand unsere jahrtausendealten Tradition nachkommen!< Er nickte mir zu und gemächlichen Schrittes ging ich zu ihm, um den Kopf leicht zu neigen.
Ich bekam den schimmernden, am Kopf anliegenden Schmuck und spürte das schwere Gewicht. Das würde meine neue Verantwortung sein und dieser würde ich mich stellen müssen. Auch wenn es in meinem Inneren ganz anders aussah. Zu meinem Entsetzen stellte ich fest, dass ich Angst davor hatte nicht stark genug zu sein, aber als mich mein Vater sanft anlächelte und meine Schulter tätschelte, sammelte ich das bisschen Mut, das ich in mir trug und straffte die Schultern.
Cathal
Ich spürte, dass es Kaelyn verdammt nahe ging und ich blickte zu Saeda hoch, die ebenfalls sehr gefasst wirkte. Nach außen hin. Innerlich sah es bestimmt ganz anders aus. Meine Augen huschten hin und her, inspizierten die Menschen, die hier standen und wirklich am Verlust teilnahmen. Kleria, Saedas Mutter, musste eine tolle Person gewesen sein. Wer wünschte sich nicht ebenfalls so verabschiedet zu werden... Geliebt von diesen vielen Menschen.
Zwei Drachen richtete sich in ihrer vollen Größe auf, während sie die Flügel weit spreizten. Der eine Drache war Audra selbst und der andere schien ein Feuerdrache zu sein mit dunkler, roter ledriger Haut. Sie griffen nach dem geöffneten Sarg, schlugen einige Male mit den Flügeln und ganz langsam erhoben sie sich in die Lüfte. Auch die anderen Drachen stießen sich vom Boden ab, bereit ihren Teil des Abschieds einzulösen. Es war ein phänomenaler Anblick. In meinem ganzen Leben hatte ich nie so etwas Schönes gesehen, selbst wenn ich mit Èamonn diese Wesen umgebracht hatte. Nun sah ich sie mit ganz anderen Augen und ich bedauerte es nicht früher erkannt zu haben, wie majestätisch Drachen sein konnten. Und sanftmütig. Immerhin verabschiedeten sich von einem Menschen, nicht von einem Drachen.
Plötzlich riss sich die kleine Schwester schreiend los und bevor Kaelyn reagieren konnte, drückte ich sie an mich. Wenn die Kleine zu ihrer Familie, insbesondere ihrer Mutter, rennen wollte, so sollte sie das tun. Kaelyn blieb bei mir. Und so rannte das Mädchen weinend zu ihrem Vater, der sie sofort in die Arme nahm und ebenfalls versuchte die Tränen zu unterdrücken. Saeda wirkte, als würde man ihr etwas aus der Brust reißen und ihr Blick ruhte auf ihrer kleinen Schwester. Sie rührte sich nicht von der Stelle, war wie erstarrt.
Dann schauten alle nach oben zu dem Sarg, der nun deutlich über uns schwebte und die Drachen flogen davon. Nicht schnell, sondern schön langsam, damit jeder seine Gebete aussprechen konnte. Ich wünschte der Templerin auf jeden Fall ewige Ruhe in einer anderen Welt und dachte dabei an meine Eltern. Vielleicht würden sie sich ja treffen, über ihre Kinder reden, die sie hatten zurücklassen müssen. Mir wurde dabei ganz schwer ums Herz und ich bettete mein Kinn auf Kaelyns Kopf, atmete tief ihren beruhigenden Duft ein.
Erst als die Drachen nur noch kleine Punkte am Horizont waren, lösten sich die meisten aus ihrer Starre und erneut erklang eine traurige Melodie, die jedoch Hoffnung ausdrückte. Sie übertönte alle Gespräche, das Weinen und das Schluchzen der umgebenden Personen. Und dann spürte ich eine mächtige Welle dunkler Kraft, die mir das Atmen nahm. > Ka...< japste ich erschrocken nach Luft und fiel auf die Knie, während sich eine Hand auf meine Brust legte. Der Kristall in mir pulsierte, zerrte mich zu dieser dunklen Kraft und das schnell schlagende Herz bereitete mir Sorgen. Im nächsten Moment erklangen Schreie, die von etwas weiter weg kamen und mir gefror das Blut in den Adern. Die perfekte Überraschung! Nun, wo die meisten Drachen verschwunden und die Leute unbewaffnet waren... Nun konnte der König seinen ersten Angriff in die Tat umsetzen. Einen Stempel aufdrücken, dass das was folgen würde noch schlimmer war, als das hier.
Das Schreien und die Panik waren deutlich zu hören und ich rappelte mich schnell wieder hoch, um tief durchzuatmen. Über uns verdunkelte sich der Himmel und grauschwarze Wolken zogen auf, nahmen uns das warme Sonnenlicht. Mein Blick fiel auf die Familie Yallysui und ich sah die bleichen Gesichter. Niemand hatte damit gerechnet, ich auch nicht.
> Ich muss dich in Sicherheit bringen, Kaelyn. Denn das, was jetzt folgt, darfst du nicht miterleben!<