Grace
"Arschloch." murmle ich halblaut, doch so, dass er es auf jeden Fall noch hören kann. Dann schnappe ich das Geld vom Tisch, stecke es in die Tasche am Gürtel mit dem Geld und räume die volle Tasse ab. Diese stelle ich in das Spülbecken, lass ein wenig Wasser rein laufen damit sich der Kaffee-Rand auflöst und stelle sie schließlich in die Spülmaschine. Dann höre ich weiter hinten im Café, wie jemand 'zahlen!' ruft und mache mich mit einem - jetzt wirklich gezwungenen Lächeln - auf den Tisch ab zu kassieren. Gegen meinen Willen hat mir der Typ gehörig die Laune verhagelt. So ein Arschloch. Allerdings, bleibt die Hartnäckige kleine Stimme in meinem Hinterkopf bestehen, die murmelt, dass unter dieser ganzen Maske ein Mensch stecken muss. Mit Gefühlen, Gedanken und einem Herz. Wahrscheinlich bin ich nur schrecklich Naiv zu glauben, dass bei DIESEM Kerl so was wie ein Herz vorhanden ist, aber irgendwie kann ich einfach nicht glauben, dass jemand SO viel Hass und so viele negative Gefühle mit sich herumtragen kann, ohne einen Funken Gutes in sich zu haben. Jeder ist gut und schlecht. Aber nur Schlecht? Nein. Ich kann mir das einfach nicht vorstellen. Und weil ich so sehr davon überzeugt bin, dass hinter diesem Getue ein Mensch mit Gefühlen steht, dass er einfach nur eine wahnsinnig harte Schale hat und einen weichen Kern, wenn vielleicht auch nicht so wie bei anderen hart schaligen Männern, ist meine Neugierde geweckt. Ich will diesen Kerl knacken. Ich will ihn kennen lernen. Ich will wissen, wieso er so verbittert und böse ist.
Isaac
Als die Schicht dann endlich zu Ende ist, fahre ich mit meinem Auto beim Café meiner Mutter vor und steige aus. Die warme, nach Kaffee duftende Luft schlägt mir entgegen, sobald ich die Türe aufmache. Mein Blick fällt als erstes auf Grace, die gerade dabei ist Kaffee zu kochen. Dabei macht sie ein nachdenkliches Gesicht und ich sehe, dass sie die Augenbrauen gerunzelt hat. Ich grinse und schleiche mich an sie heran. Doch kurz bevor ich bei ihr ankomme, schaut sie auf, wie auf ein unsichtbares Zeichen und als sie mich erkennt, grinst sie leicht und verscheucht die Gedanken, denn ihr Gesicht glättet sich. "Na, Bruderherz?" fragt sie und schüttet den Kaffee aus der Kanne in drei Tassen, die sie auf ein Tablett stellt. "Alles klar bei dir?" frage ich sie. Sie nickt. "Kann ich mir vielleicht deinen Wagen leihen? Ich muss ins Training." fragt sie. Ich seufze und krame den Schlüssel aus meiner Jeans heraus. Ich werfe ihn ihr zu und sie fängt ihn mit einem breiten Grinsen. "Danke." sie steckt ihn ein und ich deute auf die Küche. "Ist Mum da?" sie nickt und trägt dann das Tablett zu einem der Tische. Ich gehe an der Theke vorbei und öffne die Türe zur Küche.
Offene Arme der gewaltigste Protest den wir haben, will sagen: Bevor noch jemand hinfällt, passt bitte aufeinander auf in dieser scheiß Welt!