Hinata
Mit mangelnden Appetit aß ich nur ein paar Happen und ging anschließend nach oben, als Vidar immer noch nicht erschien. Allmählich machte ich mir auch Sorgen um ihn, er hatte gestern überhaupt keine Nachricht hinterlassen und somit wusste ich nicht, wie lange er fernblieb und ob alles in Ordnung war. In den Badebereich genehmigte ich mir eine kurze Wäsche, immerhin war ich heute schon Baden gewesen und in meinem Zimmer zog ich mir bereits das Nachtgewand an, ehe ich mich an dem Tisch setzte, nachdem ich das Fenster geöffnet hatte. Kühle Abendluft wehte hinein und ließ die Kerze leicht flackern, als ich sie anzündete. Ich tauchte eine Schreibfeder in die blaue Tinte und begann in einem weiteren kleinen Buch zu schreiben, diese Erzählungen waren für meine Familie, Vidars Familie und Alair. Da ich ja Zeit hatte, beschloss ich das jetzt zu tun, bevor meine Erinnerungen von den letzten Tagen nicht mehr so frisch waren und sich verschleierten. Außerdem war es eine gute Ablenkung gegen die einsame Stille und eine Verzögerung, damit ich nicht gleich ins Bett musste. In meine Gedanken versunken, kaute ich konzentriert auf meine Unterlippe und bemerkte kaum die immer kleiner werdende Kerze. Die Augen wurden schwerer, während ich mich gleichzeitig ganz benommen fühlte und die Buchstaben auf dem Blatt fingen an zu tanzen. Ich nahm es nicht mehr wahr, wie ich einnickte und mein Kopf auf dem Tisch sank bis ich in einem sehr tiefem Schlaf gefallen war….
Der silbrige Schein des Mondes erhellte den verdunkelten Raum und die schlafende Frau an dem Tisch richtete sich träge auf. Die Augen waren halbgeöffnet, der Blick ging ins Leere und in einem unsichtbaren Trance gefangen, stand sie auf. Ihre Lippen bewegten sich, der Ton flüsternd und lallend: "Lichtlein, wo bist du?" Sie wanderte in dem Zimmer orientierungslos umher, öffnete den Schrank und Schubladen, ehe sie das Zimmer verließ. Auf der Treppe wankte sie gefährlich, ihr Gleichgewicht war nicht mehr so gut, dennoch schien sie sich schnell zu fassen und unbeschadet erreichte sie den unteren Bereich, wo sie von dort aus das Haus verließ. Sie spürte die nächtliche Kälte nicht, auch nicht, wie eine Gänsehaut auf ihre Arme bildete und dass ihre nackte Füße nass wurden. Mitten auf der Wiese blieb sie stehen und starrte zu dem Mond hinauf: "Lichtlein?" Sie streckte ihre Arme in die Höhe und begann sich in einem Kreis zu drehen, summte: "Lichtlein, bist mein? Lichtlein, bin dein? Lichtlein, ich will bei dir sein." Immer schneller drehte sie sich tanzend in dem Kreis herum bis sie über ihre eigene Füße stolperte und atemlos landete sie auf dem Boden. "Lichtlein", sie versuchte nach den Mond zu greifen, dann sanken ihre Arme kraftlos auf dem Boden und sie rollte sich wie eine Katze zusammen, die Augen fielen zu und der Schlaf umarmte sie, am nächsten Tag würde sie keine Erinnerung an diese Nacht haben.
Vidar
Der Adler schien mit dem Ergebnis zufrieden zu sein, jedenfalls war der Blick nicht mehr mörderisch und er begann seine Flügeln zu säubern. Scheinbar hatte ich die Erlaubnis gehen zu dürfen, mit meiner Blume kletterte ich erneuert hinunter und diesmal erreichte ich auch den Boden. "Tja, da bin ich", grinste ich die Jägerinnen an und zeigte ihnen triumphierend die Blume, dabei bemerkte ich, dass Artemis nicht mehr da war. Schade, ihr wollte ihr die Blume geben. "Gut gemacht, wir werden gleich die Einweihung durchführen und dann muss du die letzte Prüfung bestehen, um ganz als Eine von uns akzeptiert zu werden", meinte die älteste Jägerin. Während wir uns auf dem Weg zum Wald machten, vertrauten sie mir ihre Regeln an und ich verzog leicht das Gesicht, als sie Enthaltsamkeit erwähnten. Also kein Vergnügen mit den Frauen mehr? Und das ganze musste ich 3 Monate aushalten bevor ich wieder in meine Welt war? Das war für mich ein großes Opfer, denn ich liebte die schöne Frauen und begehrte sie. Aber was tat man nicht für die Weltrettung und sicherlich gab es größere Übeln. Wenigsten klang dieser mystischen Moor interessant, eigentlich kannte ich mich gut genug und somit würde ich es widerstehen können, ganz bestimmt. Zuversichtlich sah ich in der Ferne den Wald und es war bereits wieder Abend, ich dachte nicht mehr an den Vollmond. Wir waren wieder bei dem Platz, wo wir geschlafen hatten und das Feuer wurde neu entzündet. Man reichte mir Jägerkleidungen und hinter einem Busch zog ich mich um, ehe ich wieder zum Feuer ging. Doch dort sollte ich nicht lange bleiben, ich musste mich unter dem Schein des Mondes stellen und die Arme ausbreiten, als würde ich etwas auffangen wollen. Die Jägerinnen begannen melodisch zu singen, gleichzeitig klang es auch wild und begannen um mich herum zu tanzen, während die Älteste mit den Öl einer Zypresse meine Stirn, Handgelenke und die Stelle, wo das Herz schlug befeuchtete. Soweit ich es verstanden hatte, bekam ich nach der letzte Prüfung anschließend Pfeil und Bogen aus dem rötlichen Holz der Zypresse, da Beides Attribute von Artemis war. Nach dem Gesang- und Tanzritual zu Artemis ging es endlich los zu dem Moor. Die Luft wurde feuchter und roch würziger, während die Erde weich wurde. "Da hinten ist der Moor, wir sehen uns auf der andere Seite", meinte die Älteste zu mir und verschwand dann mit ihre Jägerinnen in der Dunkelheit. Ich zuckte mit der Schulter: "Kann ja nicht so schwer sein." Mutig und risikofreudig wie ich war, stampfte ich gleich ins Moor und meine Sicht wurde durch den Nebel verschleiert. Am Anfang schien nichts zu passieren und ein triumphierendes Lächeln wollte sich in meinem Gesicht malen, doch dann hörte ich flüsternde Stimmen und Bilder aus Irgendwoher wurden sichtbar. Mein Vater kam auf mich zu, legte stolz die Händen auf meine Schultern: "Mein Sohn, du hast uns Alle gerettet - du wirst in Geschichten eingehen, Jeder wird von deinem Heldentum erfahren!" Ich fühlte mich bei diese Worte geschmeichelt und freute mich, dass er so stolz auf mich war, immerhin war er schon immer mein Vorbild, auch wenn ich es nicht offen zeigte. "Moment", runzelte ich die Stirn: "Das ist noch gar nichts passiert und du würdest es anders sagen…da fehlen ein paar Fluchwörter!" Fast hätte ich vergessen wo ich war und das Bild meines Vaters verblasste, eilig ging ich weiter und ein neues Bild tauchte auf. Diesmal war es mein funkelnder Talisman und flüsternd spricht er zu mir: "Du bist Herr der Elemente - auch Herr des Feuers." Demonstrativ verwandelte er sich in eine Feuergestalt, dass beinahe wie ich aussah: "Du kannst mich vollkommen beherrschen." Ich schluckte, das Feuer war von meine Fähigkeiten die größte Schwäche und es kratzte meinen Ego, dass ich es nicht gut kontrollieren konnte. Meine Händen ballten sich zu Fäusten: "Verschwinde!" Auch dieses Bild löste sich auf und ich merkte, dass ich anfing zu schwitzen. Ja, ich war wieder Vorlaut gewesen. Kaum war ich ein paar Schritte gegangen, beziehungsweise gelaufen, kam das drittes Bild und ich verschluckte mich an eigene Spucke: "Heiliger Drachenmist!" Vor mir stand eine fast halb nackte Frau, nur das Nötigste wurde bedeckt und die Schönheit sah mich mit ihre dunkle Augen tief an. Und es war nicht nur irgendeine Frau, sondern Artemis. Verführerisch lächelte sie mich an, ging wie ein Raubtier auf mich zu und gebannt starrte ich sie an, während ich mit der Zunge über die Lippen fuhr. Ihr Haar war offen, wie ein dunkler Vorhang und der Mond ließ ihre Erscheinung geheimnisvoll wirken. Meine Atmung wurde schwerer, als mein Blick auf ihre Lippen fielen. Sie erinnerte mich an Erdbeeren, an süße, köstliche Erdbeeren. "Verflucht", keuchte ich und rannte einfach durch sie hindurch, immerhin wurde mir auch in diesem Moment klar, dass sie niemals sich mir auf diese Weise nähern würde. Meine Füße versanken in den Moor, doch ich rannte weiter, flüchtete vor den anderen Bilder und flüsternde Stimmen. Von meine eigene Wünsche und Begierde gejagt. Ein Baumstamm lag quer vor mir, ich sprang einfach hinüber und landete auf der andere Seite, der Boden fühlte sich hart an. "Du hast es geschafft", hörte ich Jemand sagen und meine Knien gaben nach, ich fühlte mich irgendwie ausgelaugt. "Ich schaffe immer mein Ziel", brachte ich rau hervor.