Illya

Als sie ihren Gang beschleunigte, nur um mich hinter sich zu lassen, atmete ich kaum hörbar aus. Von all den Waffen in diesem Raum war sie am offensichtlichsten, diejenige, die negativ auffiel. Klar, mir war es wirklich egal, was die anderen hiervon dachten, aber es störte mich persönlich, dass sie solch eine Abneigung gegen mich hatte. Dabei hatte ich ihr bisher kein Haar gekrümmt, was einige Träger schon am ersten Tag taten. Nicht jeder ging geduldig und achtsam mit seiner Waffe um. Solche Leute verabscheute ich am meisten, aber ich war froh, dass keiner von uns seiner Waffe absichtlich Schaden zufügte.
Irgendwann waren die fünf Runden vorüber und wir sammelten uns wieder vor Lucius, der zufrieden nickte. Einige schnauften, einige nicht. Ich gehörte in die zweite Kategorie. Ausdauerlauf gehörte zu meinem alltäglichen Rhythmus.

Luana

Schließlich waren die fünf Runden um und ich war sehr zufrieden mit mir selbst. Ich war keinesfalls schlapp geworden, weshalb es mein Ego ziemlich aufplusterte, als ich sah, wie einige Waffen schnauften. Pah und die waren einige Klassen über mir? Dass ich nicht lache.
> Gut, da wir uns alle jetzt aufgewärmt haben, kommen wir nun zu der zweiten Aufgabe des ersten Blocks. Als nächstes sucht ihr euch mit euren Waffen einen ruhigen Platz im Saal und trainiert mit ihnen die Gabe, die ihnen am leichtesten fällt. Eine halbe Stunde habt ihr hierfür Zeit und währenddessen werde ich mir von jedem Paar ein Bild machen. < Die Gabe, die mir am leichtesten fiel? Was sollte mir das bringen? Warum nicht die, wo ich Probleme hatte? Seufzend dachte ich kurz nach. Hm, Blitze oder Luft. Wenn ich ehrlich war, wusste ich nicht, welche mir besser lag.

Illya

Dass er mit der stärksten Gabe anfing, war ein kluger Schachzug. Denn eine Waffe, die sich sicher in ihrer Haut fühlte, war besser zu kontrollieren, als eine, die mit sich nichts anfangen konnte. Ich drehte mich zu Enya um und neigte interessiert den Kopf zur Seite. > Wo möchtest du trainieren?< fragte ich sie, denn ich wollte ihr keinesfalls das Gefühl vermitteln, ich würde darüber entscheiden, wo sie zu stehen hatte. Außerdem überließ ich ihr die Entscheidung, welche Gabe sie mit mir trainieren wollte, denn auch da wollte ich sie nicht unter Druck setzen.

Luana

Mit vor der Brust verschränkten Armen schaute ich mich um und entschied mich für die hinterste Ecke, weil ich kein Bock auf neugierige Zuschauer hatte. Ich nickte in die Richtung und ging auch schon los, beachtete die anderen Teilnehmer gar nicht. Die waren mir sowieso egal. Ich habe mich für mein Windelement entschieden, das beherrsche ich am besten. Jetzt stellt sich mir aber die Frage, was genau ich trainieren soll, wenn ich es doch kann?, wandte ich mich dann an meinen Träger, als wir das stille Örtchen erreicht hatten.

Illya

Ich hob eine Braue. Wenn sie glaubte, dass sie jetzt faulenzen konnte, dann hatte sie das Ganze falsch verstanden. Mir war klar, dass sie das Feuer am besten beherrschte, aber dieses Element war keinesfalls leicht zu beherrschen. Und bisher hatte sie den Eindruck gemacht, als könne sie damit nur Sachen beschädigen, ohne es wirklich kontrollieren zu können. Letztes Mal hatte sie sich selbst verbrannt, als sie mich hatte verletzen wollen. > Ich gehe jede Wette ein, dass dein Feuer nicht annähernd so stark ist wie meines. Beweise mir, dass du es mit mir aufnehmen kannst und du wirst die restliche Stunde an der Wand gelehnt, bleiben können. < erwiderte ich neutral und rief mein kristallblaues Feuer in meine rechte Hand. > Oder willst du kneifen?<

Luana

Ganz ehrlich, ich hatte wirklich keine Lust, ihm eine Kostprobe meiner Gabe zu geben. Das hatte ich ebenfalls sehr oft in der Einrichtung tun müssen, weshalb ich mich schwer zusammenreißen musste, um es dann doch zu tun. Einzig und allein damit ich keine neugierigen Blicke auf mich zog. So hatte ich meine Ruhe.
Ich schloss kurz die Augen, konzentrierte mich auf das Gefühl der Freiheit in meiner Brust und ließ es in Luft wandeln, um daraus kleine Windströme zu erschaffen, die sich um meine Arme wanden. Ich formte die Ströme zu einem Strudel, der mich dann völlig einnahm, sodass ich inmitten eines kleines Tornados stand. Normalerweise kam jetzt der Part, wo ich in die Höhe schwebte, aber ich spürte die Blockade in mir, die es mir nicht ermöglichen wollte. Also probierte ich es erst gar nicht aus und ließ den Wind verschwinden. > Tadaaa!<

Gute Nacht :D

Illya

Na wenigstens reagierte sie auf meine Provokation, sonst hätte ich mir etwas anderes einfallen müssen. Als ihr Feuerball auf mich zugeschossen kam, fing ich ihn mit der Hand an, mischte ihn mit meinem Feuer und schleuderte ihn zurück zu ihr. Das sollte alles gewesen sein? Selbst als sie mich hatte anzünden wollen, war da mehr Energie gewesen als jetzt. > Und mit diesen kleinen Tricks hast du ernsthaft an eine Flucht gedacht? Mit deiner Energie würdest du es nicht einmal eine Woche in der Welt da draußen überleben. Also los, zeig mir, wie sehr du deine Freiheit wiedererlangen wirst, denn so hast du keine Chance!< forderte ich sie heraus, ging in Kampfeshaltung über.

Luana

Aha, jetzt wollte er mir also sagen, wie ich das Ganze verbessern sollte. Dr. Burtons Worte hallten in meinem Kopf wider und ich schnaubte. Verschränkte abweisend die Arme vor der Brust. > Ich kann es nicht, willst du das hören? Falls dir das nicht aufgefallen ist, ich gehöre der Klasse Fünf an. Ich bin fehlerhaft. < knurrte ich verstimmt und wandte das Gesicht ab. Alle anderen in diesem Saal hatten keinerlei Probleme ihre Gaben zur Schau zu stellen, aber ich fand es einfach nur erbärmlich, mich hier beweisen zu müssen. Lächerlich, einfach nur lächerlich.

Illya

Ich ließ das Feuer aus meiner Hand verschwinden und seufzte tief. Sie konnte jetzt nicht ernsthaft beleidigt sein... Eher hätte ich gedacht, sie würde mir die Hölle heiß machen, anstatt klein beizugeben. > Dass du jetzt aufgehört hast zu kämpfen, beweist doch nur, dass ich Recht habe. Du weißt selbst, dass du nicht stark bist, sonst hättest du all deine Energie ausgepackt, um mir das Maul zu stopfen. Sag mir eins Enya... Was willst du in deinem Leben erreichen?<
Jeder Mensch, jedes Wesen hatte ein bestimmtes Ziel vor Augen. Den sogenannten Sinn im Leben. Bisher hatte ich mich das bei ihr nicht gefragt, aber nun wollte ich es wissen. Sie träumte zwar von ihrer Freiheit, aber was genau wollte sie da draußen machen? Familie hatte sie nicht, Freunde auch nicht. Wo wollte sie hin?

Luana

Sinnloses Gelaber. Er hatte doch keine Ahnung, wie es war, eine Fünf zu sein und dementsprechend in der Einrichtung behandelt zu werden. Warum also sollte in mir etwas schlummern, von dem ich selbst nichts wusste. Das hätten die Ärzte noch vor mir erkannt, hatten sie aber nicht. Stattdessen hatten sie mich genau in die Schublade gesteckt, in die ich gehörte. In die letzte, wo man nur schwer rankam.
Es gibt nichts, was in mir schlummert, verdammt nochmal, sonst wüsste ich wohl davon, oder nicht? Ich habe es satt, ständig auf die Probe gestellt zu werden. Ist es zu viel verlangt, normal sein zu können? Lieber wäre ich gestorben, als gekauft zu werden, fauchte ich ihn in Gedanken an und griff unbewusst nach meinem vernarbten Handgelenk.

Illya

> So leid es mir tut, Enya, aber ich verstehe nicht, was du dir da draußen erhoffst... Du hast niemanden, zu dem du gehen kannst, deine Fähigkeiten lassen zu wünschen übrig und auf deiner Stirn steht dick und fett 'Entlaufene Waffe' geschrieben. < zählte ich die harten Fakten auf und durchbohrte ihren Rücken mit Blicken. > Ich verstehe völlig, dass du das hier nicht willst, aber ich stecke auch in diesem großen Ganzen fest und muss ebenso für mein Leben kämpfen. Aber ich brauche dafür dich als Partnerin. Ich habe dich nicht gewählt, um allen anderen zu zeigen, dass du eine schwache Fünf bist, sondern um zu beweisen, dass die Klassen sinnlos sind. Es ist nicht richtig, euch in Schubladen zu stecken, denn ihr alle habt ein Recht auf Selbstbestimmung. Also hilf mir ein Statement zu setzen damit alle kapieren, dass die Experimente in der Einrichtung ein Ende finden müssen. < fügte ich ernst hinzu, während ich auf ihre Reaktion wartete. Ich wollte, dass sie mir endlich ihre verdammte Hand reichte, dass wir gemeinsam kämpften und die Zukunft veränderten.

Luana

Er glaubte wirklich, ich hätte es nicht versucht, mir einfach das Leben zu nehmen? Doch, das hatte ich in der Tat, aber jedes Mal hatte man mich zurück ins Leben geholt, nur um mich weiterhin zu foltern. Und nun stand ich hier und durfte mir jämmerliche Ratgeberscheiße aus seinem Mund reinziehen. Ich sollte für mich selbst kämpfen, soso... Warum hier und nicht irgendwo da draußen in der Freiheit? Und dass er die Einrichtungen ansprach, diente sicherlich dem Zweck, das wenig Mitgefühl in mir zu wecken, was ich für all die anderen Waffen empfand. Nur fühlte ich seit langem nichts mehr, eher Langeweile und trockene Neugier.
Lässt du mich für den Rest des Tages in Ruhe, wenn ich jetzt mitspiele?

Illya

Ich ging auf sie zu, damit ich besser von Angesicht zu Angesicht mit ihr reden konnte, ohne dass man uns neugierig beobachtete. > Hast du mir richtig zugehört oder bist du so blind vor Wut, dass deine Ohren nicht mehr funktionieren? Ich habe gesagt, dass auch ich in dem Ganzen feststecke, also was habe ich für eine andere Wahl gehabt, als eine Waffe zu kaufen? Und was die Rechte und die Selbstbestimmung betrifft, weiß ich doch schon längst, aber genau deswegen müssen wir uns ja zusammentun, um gemeinsam etwas zu erreichen. Glaubst du wirklich, ich kann einfach in die Einrichtung spazieren und sie für geschlossen erklären? Mit einem Fingerschnipsen?< erwiderte ich leicht gereizt, denn mir ging ihre Ignoranz auf die Nerven. Ich atmete tief durch, um zurück zu meiner Ruhe zu finden und sah sie eindringlich an. > Nur gemeinsam kann man etwas erreichen, nicht allein. Ich weiß, dass du mir nicht vertraust, aber gib mir doch eine Chance dir zu beweisen, dass du es tun kannst. <

Luana

Augenrollend atmete ich tief durch, stellte mich wieder aufrecht hin und lockerte meine Arme. Na gut, dann eben von Anfang, aber ob das klappte, stand in den Sternen geschrieben. Ich würde mir nicht die vollste Mühe geben, um etwas Tolles zu erschaffen, denn ohne Motivatio schaffte man nichts Großes.
Wieder ließ ich die Luft um mich herum wirbeln, ließ sie mit meinem Haar spielen und dann versuchte ich den Wind umzulenken. In seine Richtung, wo sonst... Zu schade, dass ich ihn nicht an die Wand pusten konnte, denn dafür fehlte mir der nötige Schub. Dennoch streckte ich meine Arme nach vorne aus, konzentrierte mich auf die mich umgebende Luft und schob den Wirbel von mir weg.

Illya

> Du hast keine Ahnung, was Sergio und ich dürfen und was nicht. So wie ich nichts über dich weiß, weißt du auch nichts über mich, also lass das mit den voreiligen Schlüssen, wenn du nicht einmal zuhören willst. < sagte ich ernst und trat einen Schritt zurück, weil mir nicht entgangen war, dass ihr die Nähe nicht behagte. Manchmal vergaß ich, dass ich fast zwei Meter groß war...
> Glaub mir, auch so wissen alle, dass ich Probleme mit dir habe. Schlimmer kannst du es nicht machen und sowieso schere ich mich nicht darum, was die anderen über mich denken. Ich will nur, dass wir zuammenarbeiten!< fügte ich hinzu und deutete auf ihre Hände. > Und jetzt zeig mir den größten Feuerball, den du kreieren kannst.<

Luana

Pah, das würde ich ja gern, aber leider war das nicht möglich. Ich konnte es nicht. Wieso an mir rumfeilen, wenn es nichts zum Schleifen gab... Ich atmete tief durch, machte dieselbe Übung und versuchte etwas mehr Energie anzuwenden. Zunächst schien es zu klappen, aber dann versagte mir die Kontrolle über das Element und der Wind verschwand. Frustriert starrte ich den Boden an. Ich hasste es, meine Schwächen präsentieren zu müssen. Diese Gaben, die ich in mir trug, waren allesamt scheiße. Sie wollten nicht das tun, was ich von ihnen verlangte. Es ging einfach nicht.
Trotzdem probierte ich es ein weiteres Mal, damit man mir nicht nachsagen konnte, ich hätte es nicht versucht und diesmal hielt der Wind etwas länger an. Nur wollte er nicht an Geschwindigkeit zunehmen. Wütend stampfte ich mit dem Fuß auf. Wie ich das hasste.

Illya

Ich beobachtete sie in ihrem Tun und ließ sie kein einziges Mal aus den Augen. Die Energie hatte sie, aber sie schaffte es nicht, ihr die richtige Form und Intensität zu geben. Nachdenklich ging ich auf sie zu, wohl weislich, dass sie Nähe hasste. Dennoch war ich da, um ihr dabei zu helfen, sich selbst besser zu kontrollieren und ich ahnte, wo das Problem lag. > Manchmal sind es die Bewegungen selbst, die es ermöglichen, ein Element zu formen und zu lenken. Du stehst stocksteif da und benutzt nur deine Hände, aber das Feuer kommt ja von einer anderen Stelle in deinem Körper. < versuchte ich ihr zu erklären und deutete kurz auf ihre Brust. > Wenn du das Element Feuer rufst, wo zieht es am meisten in dir? Wo liegt dein Zentrum? <

Luana

Natürlich war es schlimm. Mein ganzes Leben lang hatte nichts funktionieren wollen und jetzt glaubte er ernsthaft, ich wäre motiviert, herauszufinden, warum das so war. Doch weil ich nachher Ruhe vor ihm und allen anderen haben wollte, spielte ich weiterhin mit. Aus dem Bauch heraus, da liegt das Zentrum meines Luftelements., beantwortete ich seine Frage und verschränkte die Arme vor die Brust. Und jetzt? Was wollte er mit diesem Wissen anfangen?

Illya

Wieder verspannte sie sich, weil ich in ihrer Nähe war, aber wenigstens zündete sie mich nicht an. Außerdem freute es mich insgeheim, dass ich überhaupt mit ihr reden konnte, ohne dass sie gleich das Weite suchte. > In Ordnung, ich werde dich nur kurz berühren, um dich in eine bestimmte Stellung zu bringen, die mir mal ein Mönch bei der Kontrolle der vier Elemente beigebracht hat. Ich tue dir nichts, versprochen. < teilte ich ihr ruhig mit und ging in die Hocke, um ihre Waden zu umfassen und sie in Schrittstellung zu bringen. Dann erhob ich mich wieder, nahm ihre verbrannte Hand und legte sie auf die Stelle, wo das Zentrum ihres Feuers lag. Die andere Hand ließ ich horizontal zum Boden schweben, sodass ihre offene Handfläche auf mich zeigte.
Ich ging ein paar Schritte zurück. > Jetzt probier es in dieser Position. Fühl die Wärme unterhalb des Brustbeins, leite sie in deine offene Handfläche und denk gar nicht über die Größe oder die Energie nach. Lass einfach das raus, was von selbst nach draußen gelangen will. < wies ich sie konzentriert an.

Luana

Lass mich raten... Du bist nicht nur Koch, sondern auch noch Therapeut. So wie du redest, musst du bestimmt den ein oder anderen Ratgeber-Bestseller geschrieben haben., merkte ich mit hochgezogenen Augenbrauen an und unterdrückte das Zucken meiner Mundwinkel. Zwar glaubte ich mit diesen komischen Atemübungen nichts erreichen zu können, aber wenn er der Meinung war, dass es half, würde ich ihn vom Gegenteil überzeugen. Ich schloss die Augen, konzentrierte mich auf meine Atmung und spürte, wie tief ich eigentlich Luft holen konnte. Von den meisten Waffen war ich ausnahmsweise diejenige gewesen, die am längsten unter Wasser bleiben konnte.. Mein einziger Verdienst damals.
Ich spürte, wie sich mein Körper entspannte, weil mich das tiefe Ein- und Ausatmen beruhigte und nutzte den Moment aus, um den Wind zu rufen. Als ich es tat, machte ich den Fehler, die Hände auf den Boden zu richten, denn plötzlich kam so viel Wind auf, dass ich mich selbst nach hinten katapultierte. Rechtzeitig rollte ich mich auf dem Boden ab und kam kniend zum Stehen. Okaaaay...