Holly:

Ich bildete mir das nur ein, schoss es mir durch den Kopf, als Evan mir immer näher kam. Wie verzaubert wagte ich es nicht, den Augenkontakt zu unterbrechen. Seine Augen waren mir noch nie richtig aufgefallen. Sie waren so schön. Das Herz in meiner Brust wurde lauter und schneller und auch das Atmen fiel mir mit einem Mal schwerer. Die Hitze in meinem Bauch breitete sich im gesamten Körper aus.
Zum Glück und auch zu meinem Bedauern wurden wir von Amanda unterbrochen. Evan sprang auf, als hätte sie uns bei etwas verbotenem erwischt. Auch ich setzte mich auf und fuhr mir durch das Haar. Meine Wangen waren sicherlich rosig und ich senkte meinen Blick. Amanda sollte bloß nichts davon mitbekommen.
"Also ... ich muss nach Hause." - sagte ich und sprang auf. Ich musste weg von Evan und mir Gedanken darüber machen, was hier vorgefallen war. "Wir sehen uns morgen." - verabschiedete ich mich von Evan und überlegte für einen Augenblick ihm einen Kuss auf die Wange zu geben, wie ich es immer tat, doch beließ es dann bei einem Winken.
Ich verließ sein Zimmer, dessen Wände mich beinahe erdrückten und lief nach draußen.

Holly:

Draußen war es kalt, doch ich beschloss trotzdem zu Fuss nach Hause zu gehen. Ich brauchte einige Minuten für mich. Ich musste nachdenken, um Evan und über meine plötzlichen Gefühle für ihn. Und darüber, was in seinem Zimmer gerade fast geschehen war. Wollte er mich wirklich küssen oder spielte mir mein verwirrter Verstand etwas vor? Ich wusste es nicht und ich würde es auch nicht wagen, Evan danach zu fragen. Er war mein bester Freund, verdammt! Und beste Freunde küssten sich nicht auf diese Art und Weise, auf die ich über ihn nachdachte.
"Verdammt." - schimpfte ich über mich selbst. Was hatte mich nur dazu geritten, ihn zu berühren? Ich hatte ihn schon so oft umarmt und geküsst und doch war es dieses Mal ein anderes Gefühl. Das Herzklopfen war neu und auch der flaue Magen.
Er war wie mein Bruder und so musste ich bis jetzt über ihn denken. Das war der Plan.

Kein Problem


Holly:

Was sollte ich jetzt nur tun? Ich wollte ihn nicht verlieren, nur weil ich so dumm war und meine Gefühle verrückt spielten.
Natürlich wurde ich schon öfteres gefragt, ob ich mir irgendwann vorgestellt hatte, mit Evan zusammen zu kommen und das tat ich tatsächlich. Aber ich malte für uns beide eine nicht so gut ausgehende Beziehung aus. Wir wussten einfach zu viel von einander, um zusammen sein zu können. Unsere Gefühle waren nur freundschaftlicher Natur, zumindest waren sie es bis jetzt.
Mein Handy bimmelte in meiner Tasche und ich schreckte auf. Ich holte das Gerät raus und schluckte. Ich hoffte, es wäre Evan, der mir sagte, dass zwischen uns alles in Ordnung war und doch wünschte ich mir, er würde mir einige Tage Zeit geben.
Es war Ethan, der mir eine Nachricht schickte.
"Hey, ich wollte dir nur sagen, dass ich es heute mit dir wirklich sehr schön fand und ich hoffe, dass wir uns bald wiedersehen werden." - lautete die Nachricht und ich musste lächeln. Ich beschloss mich ganz an Ethan zu konzentrieren, der jedem anschein nach Gefallen an mir fand. Vielleicht konnte ich damit die Beziehung zu Evan wieder in Ordnung bringen.
"Ich auch und ich hätte nichts gegen eine Wiederholung."

Schlaf gut


Holly:

"Wie wäre es mit Morgen nach der Uni?" - kam prompt seine Antwort und das brachte mich wieder zum Lächeln. Er hatte es sicherlich eilig und meinte es ernst mit mir. Vielleicht war er der Richtige und die ganze Sache mit Evan war nur eine HIrngespinst, weil ich mich in letzter Zeit so einsam fühlte und das Gefühl hatte, dass sich kein Mann für mich interessierte. Kein einziger, außer Evan, der mein bester Freund war.
"Da sage ich doch nicht Nein." - schrieb ich zurück.
Vor der Haustür bekam ich von ihm noch eine SMS, dass er nach Unischluss vor dem Gebäude auf mich warten würde. Ich sagte zu und steckte mein Handy weg.
Es war schon relativ spät, also aß ich noch eine Kleinigkeit und ging ins Bett. Aber leider konnte ich nicht einschlafen, weil ich ständig an Evan denken musste. Ich sah auf mein Handy, doch er hatte mich nicht angerufen. Ich konnte nicht schlafen, ohne die Sache zwischen uns geklärt zu haben. Ich wählte seine Nummer und legte das Handy an mein Ohr.

Holly:

Es war ein blöde Idee und zwar von der Sorte, saublöd. Diese Überlegung kam mir, als ich das erste Freizeichen vernahm. Ich sollte auflegen und morgen einfach so tun, als wäre nichts geschehen, als hätte es diesen einen seltsamen Augenblick gar nicht gegeben. Doch jetzt hatte es bei Evan schon geklingelt und wenn ich jetzt einen Rückzieher machen würde und auflegte, dann würde es morgen noch komischer zwischen uns werden. Es war noch nie so schwer für mich gewesen, Evan anzurufen.
Und da hörte ich seine Stimme schon auf dem anderen Ende der Leitung.
"Hi."- begrüßte ich ihn und überlegte fieberhaft, wie ich die Sache ansprechen sollte. Eigentlich sagte man ja, dass es am Telefon einfach wäre. Allerdings wäre es mir lieber, wenn ich Evan jetzt ins Gesicht sehen konnte. Dann könnte ich angemessen auf die Regungen in seinem Gesicht reagieren. Ich versuchte seinen Gruß zu analysieren, doch es klang wie immer. Konnte es sein, dass ich mir diesen einen Moment, wo er mich küssen wollte nur eingebildet hatte? Vielleicht wollte er mir nur einen Kuss auf die Stirn geben oder auf die Wange? Vielleicht war ich die einzige, deren Gefühle verrückt spielten? Oh Mann.
Er war mein bester Freund und ich brauchte keine Angst zu haben, dass er mich verspottete. Wenn es nur für mich so komisch war, dann würden wir darüber lachen und es vergessen. Ich war kein Mensch, der die Sachen unausgesprochen ließ.
"Ähm... Also heute in deinem Zimmer nach dem Film hatte ich so den Eindruck, als wollten wir uns..."- ich holte tief Luft. "küssen."- sagte ich dann leise. Ich war doch ein Idiot und Evan empfand es sicherlich ganz anders. "Oder?"- warf ich noch unsicher hinterher.

Holly:

Es war seltsam mit Evan über so etwas zu sprechen und irgendwie unangenehm zu gleich. Während er sprach, nahm ich seine Sätze auseinander und dachte über jedes einzelne Wort nach.
Also hatte ich mich doch nicht geirrt und er hatte mich küssen wollen, genauso wie ich ihn. Seine Erklärung dafür schien einleuchtend und doch stimmte sie mich traurig. Ich dachte, dass da mehr wäre zwischen uns.
"Okay." - sagte ich nur und versuchte die Enttäuschung nicht in meiner Stimmer durchkommen zu lassen. Ich atmete tief durch und rügte mich wieder für meine Gefühle. Ich sollte froh sein, dass wir anscheinend doch nur Freunde waren. "Du hast natürlich recht. Ich war nur etwas verunsichert." - fügte ich hinzu und lächelte, damit auch meine Stimme sich danach anhörte. "Ich bin froh, dass das aus der Welt ist." - fügte ich noch hinzu. "Ich muss jetzt schlafen und wir sehen uns morgen früh." - verabschiedete ich mich schließlich.

Holly:

Nach dem Gespräch mit Evan konnte ich lange nicht einschlafen und als ich es doch geschafft hatte, klingelte schon mein Handywecker und ich musste zur Uni aufbrechen. Ich duschte und bändigte mein Haar mit einem Haargummi und reichlich Sprey. Dann verließ ich die Wohnung und überquärte die Straße, um dort unter dem Baum auf Evan zu waren. Aber vielleicht würde er gar nicht kommen, schoss es mir durch den Kopf und ich erschrak. Hatte dieser beinahe Kuss unsere Freundschaft nun kaputt gemacht? Aber er sagte doch, dass alles in Ordnung war. Ich schüttelte mit dem Kopf und schob den Riemen meiner Tasche zurück auf die Schulter. Ich bettete, dass Evan zu mir kam.

Holly:

Während ich auf meinen besten Freund wartete, wurde ich mit jeder Minute zunehmend nervöser. Sollte ich ihn zur Begrüßung küssen oder würde es nur dazu führen, dass ich mich noch verwirrter fühlte als bis jetzt?
Verdammt, ich sollte mich darüber nicht so viele Gedanken machen. Wir hatten gestern darüber gesprochen und es war alles wieder in Ordnung. Zumindest hatte Evan mir das gestern zugesichert.
Als er dann auf mich zukam und mich ansprach, wie immer.
"Hallo." - begrüßte ich ihn ebenfalls und küsste ihn auf die Wange, wie immer. Aber mein Herz schlug dabei viel zu schnell in meiner Brust und das war ungewöhnlich. "Wie geht es dir?" - wollte ich dann wissen, als wir zusammen zum Bus liefen.

Holly:

Irgendwie hinterließ es in meinem Inneren einen bitteren Nachgeschmack, als er über sein Date mit Melanie sprach, doch ich lächelte einfach.
"Wie gesagt, bleib einfach du selbst und es wird schon werden." - versuchte ich ihn aufzumuntern. Wir stiegen in den Bus, zeigten die Fahrkarten vorne bei dem Fahrer und gingen bis zum Ende durch, um dann zwei freie Plätze einzunehmen. Wie immer saß ich am Fenster. "Ja, ich treffe mich heute nach der Uni auch mit Ethan." - erzählte ich ihm. "Er hatte sich gestern bei mir gemeldet." - fügte ich noch hinzu.

Holly:

"Ja, er ist wirklich toll." - sagte ich dann und versucherte so euphorisch zu klingen, wie es gemeint war. "Er wollte mich abholen." - fügte ich noch hinzu. "Ja, die Blumen sollst du auf jeden Fall mitnehmen. Frauen stehen auf so etwas." - bemerkte ich nur und sah aus dem Fenster. Ich wollte ihm nicht zeigen, wie mich sein bevorstehendes Date stört.
Ich war eine schreckliche Freundin.
"Du schaffst es schon." - sagte ich und sah wieder zu ihm, lächelte. "Sie wird dich mögen."