Holly:
Ich hatte mir gerade den Schall umgebunden und wollte aus der Tür tretten, da stieß ich an der Schwelle beinahe mit Ethan zusammen, der gerade den Arm gehoben hatte, um anscheinend bei mir zu klingeln.
"Hi." - begrüßte er mich etwas zurückhaltend. "Deine Mutter hat mir die Tür aufgemacht." - teilte er mir mit und weil ich nicht wusste, wie ich auch diese Reaktion reagieren sollte, nickte ich nur. "Seit deinem Verschwinden aus dem Krankenhaus hast du nicht auf meine Anrufe und Nachrichten reagiert." - bemerkte er und sah mich eindringlich ein, erwartete eine Antwort oder Reaktion.
"Evan ist im Krankenhaus und da ..." - sagte ich, doch er fiel mir ins Wort.
"Evan, immer nur Evan." - meinte er ungehalten und durch den barschen Ton zuckte ich zusammen. "Dieser Kerl steht ständig zwischen uns. Warum konnte er nicht in der USA bleiben?" - fuhr er fort und ich sah Wut in seinen Augen, wie ich sie vorher nicht kannte.
"Er liegt im Koma, weil er einen schweren Unfall hatte." - erklärte ich weiter, aber anscheinend interessierte es meinen Verlobten nicht.
"Dann soll seine Familie sich um ihn kümmern, du bist... nichts für ihn." - sagte er dann und erneut zuckte ich, während in meinen Augen sich Tränen sammelten.
"Ich bin seine Freundin."
"Nur eine Freundin." - verdeutlichte Ethan. "Und außerdem hattet ihr überhaupt keinen Konktakt in den letzten Monaten." - streute er noch Salz in die Wunde.
"Und trotzdem sind wir befreundet und er bedeutet mir sehr viel." - verteidigte ich mich. "Er ist sehr wichtig für mich und ich will für ihn da sein."
"Ja, er ist dir auch wichtiger als ich. Ich fühle mich von dir in Stich gelassen. Seit Evan wieder da ist, kümmerst du dich nicht mehr um die Hochzeit oder um mich." - warf er mir vor und machte mich wütend. Warum konnte er nicht verstehen, dass Evan mich jetzt sehr brauchte?
"Du bist nicht der Nabel der Welt." - sagte ich laut und funkelte ihn böse an. "Mein Freund kämpft um sein Leben und du versuchst mir ein schlechtes Gewissen einreden, weil ich da jetzt die Priorität setze." - warf ich ihm vor und trat aus der Wohnung, schloss die Tür hinter mir. "Und jetzt bin ich auf dem Weg zu ihm ins Krankenhaus." - setzte ich den Punkt und drängelte mich an ihm vorbei.
"Holly, wenn du jetzt gehst, dann ..." - drohte er mir und machte eine theatratlische Pause. Doch das brachte mich nicht dazu, stehen zu bleiben. Irgendwie war es mir auch egal, was er tun wollte.
Gerade noch erwischte ich den Bus und schon bald betrat ich das Krankenhaus. Die Außeinandersetzung mit Ethan war auch schon vergessen, eigentlich er gänzlich. Ich lief die Treppe hoch und an der Tür zur Station, in die Evan vor einem Tag, als Vorbereitung auf sein Aufwachen verlegt wurde, stieß ich beinahe mit seiner Mutter zusammen. Als sie mich sah, schlag sie sofort die Arme um meinen Hals und brach in Tränen aus. Die schlimmsten Gedanken machten sich in meinem Kopf breit. War etwas schief gelaufen? War Evan nicht mehr ...? Doch das verbaot ich mir zu denken.
"Was...?" - wollte ich Mrs Reeves fragen, doch sie schüttelte nur mit dem Kopf und tupfte mit dem Taschentuch unter die Augen, um die Tränen fortzuwischen.
"Er ist wach." - sagte sie dann und räusperte sich. Das überraschte mich. Sie musste sich doch freuen, dass Evan wieder beim Bewusstsein war. "Ich glaube, er braucht dich." - sie lächelte mich traurig an. Ich nickte nur und ging dann zu seiner Zimmertür. Ich zögerte, bevor ich anklopfte und das Zimmer betrat.