Ella
Am nächsten Morgen wachte ich mit Nackenschmerzen und einem verspannten Rücken auf. Nach der warmen Dusche fühlte ich mich besser, nahm jedoch noch ein Wärmepflaster zur Hilfe. Als ich mich nach dem Kaffee und zwei Toastbroten mit Käse und Tomaten wacher fühlte, machte ich mich auf den Weg zur Uni. Dort schrieb ich fleißig mit und eilte nach der Vorlesung aus dem Gebäude, um den Bus nicht zu verpassen. Wie es in den Anweisungen stand, stand ich um halb Eins vor dem Privatgrundstück. Zitternd - es war kälter als gestern geworden - klingelte ich und wartete. Es ertönte ein kurzes Rauschen, ehe mich eine Männerstimme fragte, wer ich sei. "Guten Tag, ich bin Ella Svendson. Die..." Sowohl das schwere Eisentor, als auch die Eingangstür öffneten sich, in der ein älterer Mann stand. Schnell lief ich über den Hof, zog meinen roten Handschuh aus und reichte ihm meine Hand, um mich vorzustellen. "Hallo, mein Name..." "Das haben Sie gerade schon gesagt, junge Dame", unterbrach er mich und ich zog überrascht meine Augenbrauen hoch. "Sie brauchen nicht nervös zu sein, Mr. Ò Farell ist momentan nicht anwesend", sagte er leicht lächelnd. Verlegen lächelte ich und nickte. "Ich habe von ihm die Anweisung bekommen, Ihnen die untere Etage zu zeigen. Und wo Sie den Mercedes vorfinden können. Alle anderen Etagen sind für Sie Tabu - bitte verfolgen Sie diese Regel streng. Mein Dame ist Dean, ich bitte Sie, mich umgehend zu informieren, wenn Sie Hilfe brauchen." Erneut nickte ich und er bat mich mit einer eleganten Geste, ihm zu folgen. Dean zeigte mir das Empfangszimmer für Gäste, das Schlafzimmer von Mrs. Ò Farell, das Badezimmer und den Musikraum, der vorher ein Tanzsaal gewesen war. Schließlich liefen wir über den riesigen Garten (ich würde mich so was von verlaufen) zu dem großen Parkhaus. Dieser war erstaunlich modern eingerichtet und stand stark im Kontrast zu den restlichen Einrichtungen. Neonlampen beleuchteten die Halle. "Da ist der Mercedes, den Sie fahren dürfen." Ich riss meine Augen auf, als ich sah, welchen Wagen er meinte. Diesen Wagen sollte ich fahren? Wenn ich einen Unfall baute, dann... Mr. Ò Farell würde mich eigenhändig herausschmeißen, dem war ich mir absolut sicher. Wir liefen wieder hinaus zu dem Garten, um den gleichen Weg zurück zu laufen. Plötzlich bemerkte ich eine Person am See und blieb stehen. Eine Frau mittleren Alters starrte auf den See und rührte sich nicht in ihrem Rollstuhl. Sie schien in Gedanken versunken. "Oh, dort ist Mrs. Ò Farell. Sie sollten sich ihr vorstellen." Ich nickte und lief mit weichen Knien los. Was, wenn ich die Begrüßung verhaute? Und Mrs. Ò Farell mich so unsympathisch fand, dass sie mich sofort fortschickte? Oder noch schlimmer... es ihrem Sohn erzählte! Ja, schon jetzt machte mir Mr. Ò Farell etwas Angst. Reiße dich zusammen, Ella, dachte ich und atmete leise aus. "Mrs. Ò Farell? Dies ist Ihre neue Pflegekraft Mrs. Svendsen." Die Dame zuckte leicht zusammen und drehte sich zu uns um. Dieselben türkisen Augen wie die von Mr. Ò Farell blickten mir entgegen. In ihnen lag jedoch Wärme, aber trauriger Weise auch eine Melancholie. Sie lächelte halbherzig, dennoch warm. "Guten Tag, Ella. Es freut mich, Sie kennenzulernen. Wie Sie sicherlich gemerkt haben, ist Blake sehr willensstark. Ich konnte ihm die Idee einer Hilfskraft nicht ausreden. Aber ich weiß, dass er es nur gut meint." Ich schüttelte perplex ihre Hand, die sie ausstreckte. "Ella Svendson, es freut mich, Sie kennenzulernen, Mrs. Ò Farell", sagte ich etwas nervös. Sie lächelte. Mrs. Ò Farell musste eine sehr schöne Frau gewesen sein. Sie hatte hohe Wangenknochen und feine Konturen. Auch jetzt war sie das, aber sie wirkte so... traurig. Nachdenklich. "Nun, Ella, erzählen Sie mir etwas von sich. Warum haben Sie diesen Beruf ausgewählt?" "Ich studiere noch und... musste aus finanziellen Gründen einen zweiten Nebenjob finden." "Oh, wie interessant." "Mrs. Ò Farell, es ist etwas kühl draußen. Erlauben Sie mir, Sie nach innen zu begleiten", sagte Dean und lächelte Mrs. Ò Farell freundlich an. Die beiden sahen vertraut aus. Wie gute Freunde. Sie nickte. "Wenn es denn sein muss. Es ist wohl besser, bevor wir von meinem Blake erwischt werden." Ihre Stimme nahm einen weichen, liebevollen Klang an, wenn sie von ihrem Sohn sprach. Blake. So hieß er also.