Alej
Jetzt machte ich mir ernsthaft Sorgen, denn Stimmen hören war definitiv nicht normal und worüber man sich Gedanken machen sollte, vielleicht war er wirklich zu lange in der heiße Sonne gewesen, sodass er Halluzinationen bekam. "Okay, dann lege dich hin und ruhe aus, ich mache noch einen Rundgang, beim Gehen kann ich am Besten Nachdenken", sanft drückte ich seine Schulter, sah ihn noch einmal besorgt an und als Leo ins Bett ging, verließ ich leise das Zimmer. Die Temperatur schien zu steigen, doch merkwürdigerweise machte mir das nicht viel aus, das hieß, ich bekam nicht das Gefühl gebraten zu werden. Hinter mir klingelte Jemand, ich sprang ausweichend zur Seite und stieß gegen Jemand. Einen Bettler. Dann passierte es. Es war, als würde bei mir die Zeit stehen bleiben. Geräusche wurden verdrängt und ich fiel tief in seine Augen, die von eine düstere Dunkelheit umgeben war. Ohne zu merken, hatte ich mich an ihn geklammert und Etwas in mir regte sich, es war warm, nicht unangenehm, sondern als würde man in den Arme seiner Mutter liegen und ihr Lied zuhörte. Dieses Gefühl schien auf den Bettler zu springen, ein Licht flackerte in seine Augen auf, Glanz kehrte zurück und er war aufeinmal voller Hoffnung: "Danke, oh dich schickt die Götter!" Lachend umarmte er mich und ging voller Tatendrang wie ein junger Mann fort. Perplex starrte ich ihn hinterher, was zum Geier war das gewesen?! Völlig verwirrt drängte ich mich durch die Menschenmasse und wieder ohne zu merken, stand ich plötzlich vor der Tür, wo dahinter Nesrin lag.
Layla
Normalität. Das fand ich bei dem Familienessen, denn nachdem ich mich erholt hatte von dem Schreck, war ich unter die Dusche gesprungen und anschließend zu meine Eltern gefahren, weil heute das Familienessen geplant war. Das kleine Haus war erfüllt von Stimmen und Lachen, Wärme der Geborgenheit umhüllte mich ein und ich entspannte mich. Am Tisch betrachtete ich unauffällig jede Person. Da waren meine Eltern, sie schienen immer noch glücklich miteinander zu sein und schenkten sich zärtliche Blicke, was irgendwie rührend war. Neven war mit seine Frau da, er hatte bereits zwei kleine Kinder und Diese machten gerade Quatsch mit den Essen, doch er auch schien zufrieden zu sein mit seinem Leben. Yassin dagegen erwartete noch mit seiner Frau das erstes Kind, sie war schon in der 6. Schwangerschaftsmonat und in seine Augen blühte der Stolz eines Vaters. Ercan war genauso wie ich Single, ich wusste dass er nichts Festes suchte, er amüsierte sich eher gerne und nutzte seinen Charme vollkommen bei den Frauen aus, aber das machte ihn wohl ausreichend glücklich. Ich dagegen, naja...ich hatte drei Beziehungen hinter mir gehabt und auch einige Dates, aber irgendwie lief es nie gut. Nein, die Männer waren alle sogar sehr lieb gewesen, wollten mich auf ihre Händen tragen. Das Problem war ich. Dass ich nämlich aus dem heiteren Nichts nichts mehr empfand und somit den armen Mann ins kaltes Wasser schubste, wo noch am Vortag alles prima gewesen war. Ercan behauptete ich hätte ein ungezähmtes Herz, meine beste Freundin dagegen sagte, ich würde unter Bindungsangst leiden und ich war in der Meinung, wenn das Ganze so weiterging, wurde ich unfreiwillig zu größte Herzensbrecherin Ägyptens und hätte immer noch kein Plan, was mit mir nicht stimmte. Aber eigentlich war das Singledasein nicht schlecht, man hatte keine Verantwortung und war unabhängig, ein paar harmloses Flirts passten auch noch rein. Und mit 24 Jahren war ich ja noch jung, ich konnte mir später Sorgen machen, wenn die Biouhr sich meldete.