Sie sind nicht angemeldet.

161

02.12.2018, 20:25

Ardan

Wie versprochen, ließ ich Zen genügend Zeit, sich hier draußen zu verstecken. Es war eines seiner Lieblingsspiele. Verstecken. Mir machte es auch Spaß, aber ich verband es immer mit einer sehr bedeutenden Erinnerung - einer sehr bittersüßen. Zu wissen, dass Jadis nun in meinem Königreich war, verstärkte dieses zwiegespaltene Gefühl. Warum bloß hatte ich drei Tage gesagt und nicht zwei? Drei waren viel zu viel. Das würde eine seelische Tortur für mich werden. Zum Glück hatte ich als König vielen Pflichten nachzugehen, sodass sie mit ihren beiden Begleitern auf eigene Faust mein Volk überzeugen musste. Ich war mir sicher, dass viele meiner Leute sie mögen würden. Die Menschen in diesem Reich waren sehr offen, selbst wenn wir uns vom Festland fernhielten. Nur durch den Handel hatten wir uns letztendlich anderen Reichen geöffnet.
>Ich komme dich jetzt suchen.< rief ich, als ich fertig gezählt hatte. Zen war sehr gut darin, seinen kleinen Körper in Orte zu quetschen, auf die man normalerweise nie kommen würde. Nach all der Zeit hatte ich jedoch ein gutes Gespür für seine Ideen entwickelt, daher folgte ich meinem Gefühl.
Der Garten war im Gegensatz zu vielen anderen Gärten von Königreichen nicht wie ein Labyrinth gestaltet, sondern fügte sich der Umgebung. Dadurch, dass wir dem Vulkan näher waren, gab es verschiedene Ebenen, Tiefen, verschlungene Wege und Hügel. Als würde man durch einen Wald aus exotischen Pflanzen und Bäumen laufen. Ich mochte diesen Ort. Hier ließ es sich gut nachdenken, besonders beim Plätschern des kleinen Bächleins, das sich wild durch den Garten schlängelte. Wie blaue Adern durch grünes Feld.
Ich suchte dichte Büsche ab, niedrige Äste der höheren Bäume, unter Sitzbänke, in einem recht flachen Brunnen, der einfach nur zur Dekoration hier stand... Noch fand ich kein Zeichen, das mich zu Zen führen könnte. Er war ein raffinierter, kleiner Junge. Das machte das Ganze umso spannender. Zwar könnte ich schummeln und meinen magischen Sinn nutzen, aber das tat ich nicht. Er würde es merken. Und als sein Vorbild musste ich mich auch an die Regeln halten.

Jenaya

Schlagartig veränderte sich die Stimmung im Saal. Von einem Moment auf den anderen lösten sich einige Wachen von ihren Posten und steuerten auf den Platz zu, wo ich Kenai zuletzt gesehen hatte. Unruhe erfasste mich, bis eine laute Stimme sogar die Musik übertönte. Das Orchester hörte sofort auf zu spielen. Die Worte waren klarer zu hören. Ich schnappte einiges auf und traute meinen Ohren nicht.
Tiana umfasste meinen Oberarm, drückte leicht zu. Auch sie verstand, was vor sich ging. Ich stand wie erstarrt da, hörte die Worte des alten Mannes wiederholt in meinen Gedanken. Er kannte Kenai. Er kannte seine Vergangenheit. Er kannte Dinge, die ich selbst nicht gewusst hatte. Ich wusste ehrlich gesagt nichts über Kenais früheres Ich und es brach mir das Herz, das alles zu hören.
Totgeglaubtes Kind? Gewalt verabscheut? Schattenmeister... Zirkuskünstler? Hakoda Reavstone? All diese Informationen regneten auf mich herab und stachen auf mein Herz ein. Die Worte des alten Mannes trafen mich genau an der richtigen Stelle. Mir wich der Atem aus den Lungen.
In mir kam erst Bewegung, als ich sah, wie man den alten Mann packte, um ihn aus dem Saal zu entfernen. Viel zu viele Leute starrten in die Richtung des Geschehens. Viel zu viele Zeugen. Zu viele Augen, die auf das "Spektakel" gerichtet waren. Ich wollte das nicht. Ich wollte nicht, dass alle von Kenais Vergangenheit erfuhren. Schlimm genug, dass nun fast alle wussten, was auf seinem Hinterteil abgebildet war. Wäre ich nicht derart schockiert, würde mir wieder Röte in die Wangen kriechen.
Allerdings nicht jetzt. Ich musste handeln. Kenai war meine Verantwortung, also stand ich für ihn ein. Tiana ließ mich los, als ich nach vorne trat und mir einen direkten Weg zur kleinen Gruppe bahnte. Mein Herz klopfte unruhiger in der Brust. Zudem spiegelte sich Sorge in meinem Blick. Der alte Mann war zu recht wütend. Das wäre ich an seiner Stelle auch.
>Führt den Mann und die Frau in das Zimmer drei Türen weiter!< wies ich die Wachen an und schaute zu Kenai. Ich schluckte schwer. >Komm mit, lass uns in Ruhe mit ihnen reden.<
Zeitmenschdoku: https://www.youtube.com/@zeitmenschdoku2678
#spreadthelove

162

02.12.2018, 20:50

Jadis


"Da bist du ja!", keuchte Jemand und ich öffnete meine Augen. Gilbert stand vor mir mit etwas zerzaustes Haar. Dieser Anblick erinnerte mich, wie er als Junge ausgesehen hatte. Er trug nicht mehr seine Rüstung, sondern die edle Leinenkleidungen, die sich darunter befunden hatte. "Ich habe mir Sorgen gemacht, als du nicht in deinem Gemach gewesen warst!", er schüttelte den Kopf und ich las die Sorge in seine Augen. "Beruhigt dich, mir geht es gut. Ich kann auf mich aufpassen", antwortete ich und zog ein Augenbraue hoch: "Sag mal, bist du etwa in das Gemach eingebrochen?" Seine Ohren färbten sich: "Naja, du hast nicht auf das Klopfen reagiert und ich dachte dir wäre es zugestoßen...." "Ich glaube kaum, dass sie jetzt so bescheuert sein werden mich zu schaden, das wäre mehr als auffällig", bemerkte ich. "Wir befinden uns in ein fremdes Gebiet und man kann nicht vorsichtig genug sein....", erwiderte Gilbert und setzte sich neben mir hin. Er berührte den Unterarm, wo mein Brandmal war. Ich zog ihm den Arm weg. Ich mochte nicht da berührt werden, bei ihm fühlte es sich an, als wäre ich ein Blatt, das jederzeit von einem Wind fortgerissen werden konnte. Es hatte Wochen gedauert, dass ich ihm überhaupt dieses Brandmal gezeigt hatte. Ich wusste, dass es von mir albernd war. Gilbert machte sich nur Sorgen und wollte mich beschützen. Aber manchmal hatte ich das Gefühl, das er glaubte ich wäre aus Glas und das störte mich. Als ich seine verletzte Miene sah, fühlte ich mich schlecht. Manchmal konnte ich echt ruppig sein, das hatte er nicht verdient. Als ich sah, das wir gut in Verborgene waren und ich Niemanden bemerkte, küsste ich ihn.

Kenai


Von den Muttermal konnte der alte Mann nicht wissen, denn solche Merkmale waren bedeutungslos und entsprachen nicht als wichtige Informationen, die man über mich wissen musste. Noch mehr Wachen waren gekommen. Sie wollten scheinbar diese Nomadengruppe aus dem Schloss bringen. Ich verstand diese Situation nicht. Ich begriff nicht, was hier vor sich ging und warum es alles mit mir zu tun hatte. Ich war eine lebendige Waffe, das war ich schon immer gewesen. Dafür wurde ich erschaffen. Nicht mehr, nicht weniger. Da konnte ich kein Mensch gewesen sein mit Familie und einem Zirkus. Die Prinzessin erschien. Sofort stand ich hinter ihr, das war was meine Aufgabe war. Die Wachen folgten ihrem Befehl, aber ich hatte das Zögern registriert. Sie wollten nicht, dass der alte Mann mit ihr sprach. Aber da sie die Prinzessin war, mussten sie ihrem Befehl folgen. So lautete die Pflichten gegenüber der Königsfamilie. Wir verließen den Saal. Der alte Mann und die Frau wurden in das gewünschte Zimmer geführt. Ich folgte die Prinzessin und wir traten als Letzten den Raum. Der alte Mann bereite sich von der Wache und stützte auf seinem Stock. Ich glaubte, dieser Gesichtsausdruck bei ihm nannte man wütend und die Frau wirkte einfach nur durcheinander. Und verängstigt. "Onkel Seppel, was werden sie mit uns machen?", flüsterte sie zu den alten Mann. "Keine Sorge, meine Kleine. Ich passe auf dich auf", der alte Mann legte die Hand auf ihre Schulter und sah wachsam zu den Wachen. Vermutlich würde er nicht reden wollen, wenn sie noch da waren.


163

02.12.2018, 21:18

Ardan

Also langsam fragte ich mich ernsthaft, wo sich der kleine Bengel versteckt hatte. Wo könnte er bloß sein? Ich hatte alle Verstecke abgesucht, in denen er sich normalerweise aufhielt, aber heute schien er ein neues, besseres Versteck gefunden zu haben. Ohne meinen magischen Sinn würde es ein Weilchen dauern. Zum Glück war die Sonne nicht gänzlich hinterm Vulkan verschwunden. Das zusätzliche Licht half mir bei, Schatten schneller zu erkennen.
Und ich sah Schatten. Allerdings nicht die von Zen. Selbst von hinten wusste ich sofort, um wen es sich dabei handelte. Jadis. Gilbert. Beide zusammen in trauter Zweisamkeit. Meine Beine kamen zum Stillstand. Ich starrte in ihre Richtung, als hätte mir jemand einen Fluch auferlegt, dabei zuzusehen, wie die Frau, die ich liebte, einen anderen Mann küsste. Einer, der besser für sie war, weil er nicht ich war. Weil er sie aufgefangen hatte, nachdem ich ihr wunderschönes Herz gebrochen hatte. Welch Ironie des Schicksals, dass sich nun meines anfühlte, als würde es erneut brechen. War es nicht schon vor langer Zeit zu Asche zerfallen? Scheinbar nicht...
Ich sollte gehen. Ich sollte wegschauen. Dieser Kuss, er schmerzte mich bis in die Tiefen meines Seins. Kummer wuchs in mir, stieg meine Kehle hinauf, bis ich plötzlich ein Rascheln aus einem Blätterhaufen vernahm. Meine Augen schnellten in die Richtung.
Zen sprang jubelnd aus seinem Versteck heraus und mir direkt in die Arme. Reflexartig fing ich ihn auf, lachte leise, jedoch nicht aus vollem Herzen. Er spürte es. Die dunkle Tiefe in meiner Seele. Sein Lachen ebbte ab, die roten Augen auf mein Gesicht fixiert. >Sei nicht traurig, Brayal (großer Bruder). Du hast mich. Ich bleibe immer bei dir, so wie du es mir auch versprochen hast.<
Der Druck in meiner Brust ließ nach. >Und meine Versprechen halte ich, mein Großer.<

Jenaya

Mein Herz klopfte mir bis zum Hals und ich wünschte, man hätte mich auf Situationen wie diese vorbereitet. Doch das Leben war nicht eine Prüfung, auf die man sich vorbereiten konnte. Sie traf einen unerwartet und man musste mit den Konsequenzen leben. Dies hier war eine dieser schweren Konsequenzen, die ich seit Kenais Auftauchen als Angst in mir trug. Dass der Tag kam, an dem ich mehr über ihn erfuhr und mit dem Wissen weiterleben musste, dass er nur wegen mir so war, wie er nun eben war.
Als wir den privaten Raum erreichten, in dem man ungestört ernste Gepräche führen konnte, befiel ich den Wachen, sich aus dem Raum zu entfernen. Kenai war bei mir. Mit ihm an der Seite drohte keine Gefahr. Ich selbst war in der Lage, mich zu verteidigen, doch das war sowieso nicht nötig. Der alte Mann und die junge Frau stellten keine Bedrohung dar. Ich sah die guten Absichten in ihrem Geist. Sie waren gute Menschen.
>Bitte setzt euch, euch droht keine Bestrafung oder dergleichen. Die Wachen erledigen nur ihre Arbeit.< meinte ich freundlich lächelnd und nahm selbst in einem gepolsterten Sessel Platz. Den Gästen direkt gegenüber. Ich faltete die Hände im Schoß zusammen und hielt den Rücken gerade. >Ich habe einiges aufgeschnappt auf dem Weg zu euch... Dass ihr Kenai kennt. Nun, seine Vergangenheit. Stimmt das?<
Zeitmenschdoku: https://www.youtube.com/@zeitmenschdoku2678
#spreadthelove

164

02.12.2018, 21:51

Jadis


Ich hörte ein Geräusch und sofort löste ich mich von Gilbert. Ein Kind lachte und ich drehte mich um. Weiter hinten entdeckte ich eine Gestalt, den ich sofort als Ardan erkannte und in seine Arme war der Junge. Zen. Hatten sie den Kuss gesehen? Ich hoffte nicht. Ich wollte keine Probleme haben, die unsere Beziehung gefährden könnte. Ich musste es schaffen den Segen meines Vaters zu bekommen und da durfte keine Hindernisse auftauchen. Wobei da müsste ich mir bestimmt keine Sorgen machen. Schon gar nicht wenn es sich um Ardan handelte. Mein Herz krampfte sich seltsam zusammen. "Lass uns reingehen", sagte ich zu Gilbert und stand auf. Ich wollte nicht in der Nähe des Mannes sein mit den flammengoldene Augen. "Kennst du eigentlich die Geschichten von den Harpyien?", fragte ich Gilbert plötzlich. "Diese hässliche Gruselgestalten mit den Flügeln?", er war einen Blick zu mir. Es gelang mir das Gesicht nicht zu verziehen. "Denkst du, die Harpyien könnten in Wirklichkeit anders sein, als die Behauptungen?", wir erreichten das Kampffeld. "Hm....ich denke, dass in den Sagen ein Stück Wahrheit steckt und sie tatsächlich Gesandten von den Dämonen gewesen waren. Angeblich existieren sie nicht mehr, also haben wir ein paar Feinde weniger", meinte Gilbert. Ich blieb stehen. Feinde. "Jadis? Alles in Ordnung?", verwundert drehte sich Gilbert zu mir um. Ich setzte ein Lächeln auf: "Sicher doch. Alles in Ordnung." Gilbert, könntest du mich lieben, wenn ich dir meine wahre Gestalt zeigen würde? Ich will dich nicht verlieren. Du bist mein sicherer Hafen.


Kenai


Die Wachen wurden von der Prinzessin entlassen und sie bot den beiden Menschen die Plätze an. Sie setzten sich hin. Nur ich blieb wachsam stehen, da ich jederzeit bereit sein musste. Dieser Sebastien sah die Prinzessin zuerst schweigend an und die Frau war scheinbar eingeschüchtert, um zu sprechen. Schließlich begann der alte Mann zu sprechen, nachdem er Luft geholt hatte: "Ich kenne ihn von Geburt an. Er ist der jüngste Sohn von Hakoda und Korra Reavstone. Seine Eltern führten einen Zirkus, namens Reavstone's Zauberland." Meine Augen richteten sich auf den alten Mann. Hakoda Reavstone. In meinem Kopf blieb das Nichts ein Nichts. Keine Erinnerungen. Keine Emotionen. Korra Reavstone. Willst du etwas abhaben, Kenai? Plötzlich spürte ich diesen sehnsuchtsvollen Schmerz. "Himbeerplätzchen", sagte ich. Der alte Mann schaute auf und Tränen standen in seine Augen: "Korra, deine Mutter, konnte die besten Himbeerplätzchen backen. Eurer Wohnwagen hatte immer nach Kekse geduftet." In meinem Kopf wurde das Nichts zu diese weibliche Erscheinung. Korra Reavstone. Willst du etwas abhaben, Kenai? Ich hatte eine....Mutter? Unmöglich. Ich wurde erschaffen. Mein Brustkorb schmerzte.


165

02.12.2018, 22:13

Ardan

Ich verbrachte noch etwas Zeit mit Zen und schaffte es, das Bild von diesem Kuss zu verdrängen. Vergangenheit. Das gehörte jetzt der Vergangenheit an. Im Hier und Jetzt zählten meine Leute. Meine engsten Vertrauten. Besonders Zen. Ihm war nicht klar, wie sehr ich ihn brauchte. So wie er mich. Wir gaben uns gegenseitig Halt in dieser düsteren Welt, die einen mit ihrer scheinbaren Unschuld anlockte. Aber ich wusste es besser. Ich hatte viel zu viel gesehen... und getan.
Als es zu dämmern begann, brachte ich Zen zurück in sein Zimmer am Ende des Ganges, in dem die Gemächer der königlichen Familie lagen. Also meines und das von Zaneri. Leoras hatte ich seit geraumer Zeit nicht mehr betreten, nur hin und wieder ließ ich Dienerinnen ihr Zimmer aufräumen, damit nicht alles Staub ansetzte. Das hätte Leora nicht gefallen. Das Gemach meines Vaters hingegen hatte ich in seine Einzelteile zerstört und es daraufhin in ein weiteres Arbeitszimmer verwandelt. So sehr es mir widerstrebte, dort zu arbeiten, war es dort am ruhigsten. Als schluckten die Wände jegliches Geräusch von draußen.
>Gehen wir morgen an den Strand?< fragte Zen, als ich ihn ins Bett legte, ihn zudeckte und ihm einen Kuss auf die Stirn gab. Das Licht der Feuerlampe warf Schatten auf uns beide.
Ich nickte sanft lächelnd. >Du weißt, wie ungern ich dir etwas abschlage. Ich versuche meine Aufgaben für den Tag schnell zu erledigen, damit wir kurz an den Strand gehen können. Einverstanden?<
Zens rote Augen leuchteten auf. Er lächelte erfreut. >Gute Nacht, Brayal.<
>Gute Nacht, Brayan (kleiner Bruder).<

Jenaya

Hakoda und Korra Reavstone. Nie von ihnen gehört. Auch nicht von dem Zirkus. Ich konnte mir keinen Kenai in einem Zirkus vorstellen und doch saß mir dieser alte Mann gegenüber. Er sprach die Wahrheit. Das sah ich in aller Deutlichkeit. Als Kenai sogar auf das Gesagte reagierte, wusste ich mit Sicherheit, dass diese Leute hier ein Teil seiner Vergangenheit waren. Deshalb mochte er Himbeerplätzchen. Irgendwie hatte es dieser Duft geschafft, in seinem Herzen zu bleiben. Seine Mutter...
Meine Augen brannten verdächtig. Ich wusste es. Von Anfang war mir bewusst gewesen, dass Kenai mal ein normaler Junge gewesen war. Mit einer Familie. Mit einem liebenden Vater und einer liebenden Mutter. Und hier war er. Völlig emotionslos, ohne ein echtes Verständnis für diese Situation. Welch große Wendung das eigentlich bedeutete. Was sollte ich dazu sagen? Wie reagierte man in solch einer Situation? Was sollte ich diesen Menschen mit auf den Weg geben?
>Kenai, er ist... mein Leibwächter. Seit ich klein bin. Ich kenne die Details seiner Vergangenheit nicht und wie er überhaupt in dieses Schloss kam, aber eines ist sicher.< Ich hielt die Tränen festen Willens zurück. >Er ist jetzt anders. Erinnerungen, Gefühle... Sie sind fast gänzlich gelöscht. Er kann sich nicht an euch erinnern. Es ist überraschend genug, dass er mit Himbeerplätzchen etwas verbindet.< Traurig schaute ich zur Seite, dort, wo Kenai aufrecht stand, bereit, mich vor alles und jedem zu schützen. Ich starrte zur Stelle, wo sein Herz unter all der Kleidung schlug. Ein Herz, unfähig etwas zu empfinden.
>Es tut mir leid.< sagte ich schließlich und wandte mich wieder den beiden Gästen zu.
Zeitmenschdoku: https://www.youtube.com/@zeitmenschdoku2678
#spreadthelove

166

03.12.2018, 08:15

Jadis

Als wir die Gemächer erreichten, schlüpfte ich in einem unbeobachteten Moment in Gilberts Gemach. Wenn diese Mission uns gelang und mein Vater ihn zu einem General befördert hatte, dann konnte unser Versteckspiel endlich aufhören. Dann wollte ich mein Vater von unsere Beziehung erzählen und ihm sagen, dass ich in der Zukunft Gilbert als mein Gemahl auswählen wollte. Nachdem wir uns entkleidete, schmiegte ich mich an seinem warmen Körper und seine Arme umschlossen mich, während mein Gesicht sich an seinem Brustkorb bettete. Adran hatte damals Hitze wie das Feuer ausgestrahlt, an der ich mich aber nicht verbrannt hatte. Woher kam dieser Gedanke? Sofort verdrängte ich ihn. „Schlaf gut, meine Prinzessin“, Gilbert küsste auf meinem Kopf. „Schlaf gut, mein Sonnenkrieger“, murmelte ich und schloss meine Augen. Ich schlief auf der Stelle ein. Die lange Reise, die Zwischenfälle auf dem Meer und die Verhandlung hatten scheinbar mehr von meiner Kraft verlangt, als ich gedacht. Mein Körper war erschöpft und brauchte den Schlaf, um sich mit neuer Energie füllen zu können.

Kenai

Die Schultern der alte Mann sackten ab und dadurch wirkte er noch älter: „Dann ist es ja so….als wäre er immer noch tot.“ Die Frau begann laut zu schluchzen und sah mit nasse Augen die Prinzessin an: „Keine…Erinnerungen? Keine Emotionen? Dieses grausame Schicksal hat er nicht verdient! Er hatte nie was Dummes gemacht oder Kummer bereitet. Er hatte immer auf mich aufgepasst, als wäre ich auch einer seiner Schwestern. Seine Familie hatten mich aufgenommen, als niemand mich wollte und sie hatten mir in den Zirkus ein Zuhause gegeben. Es war ein Ort der Liebe und Gemeinschaft gewesen. Ein Ort für die Verlorene. Und jetzt….jetzt ist einfach alles weg. Wir haben alles verloren. Unsere Familie. Den Zirkus. Und Kenai….Kenai kann nicht mal um das trauern, was er geliebt hatte. Er weiß nicht mehr….nicht mehr….wie sehr er geliebt wurde.“ Ich hörte diese Dinge, Dinge die meiner Vergangenheit angehören sollten. Vor der Erschaffung gab es ein anderes Leben. Aber es regte sich in mir nichts, da war nur diese Leere, die schon immer da gewesen war. Jetzt sah mich die Frau an: „Kenai komm bitte zurück.“ Meine Augen blieben ausdruckslos, in meinem Gesicht zuckte kein einziger Muskel. Für mich war sie nur ein weiblicher Mensch. Der alte Mann zog sie sanft in seine Arme und sie weinte an seiner Schulter. „Es fühlt sich an, als hätten wir ihn wieder verloren“, sagte der alte Mann: „Ich sehe ein gutes Herz in Euch, Prinzessin und daher hoffe ich, dass Sie vielleicht einen Weg finden können, wie er seine Seele zurückbekommt. Wenn er sich an die Duft der Kekse seiner Mutter erinnert, schlummert vielleicht tief in seinem Inneren noch andere Erinnerungen, die er scheinbar ohne Hilfe nicht finden kann. Es fällt mir schwer zu glauben, dass er jetzt nur eine Hülle sein soll, die nur für einen Zweck lebt. Ich bitte Euch, finden Sie heraus was seit jener furchtbaren Nacht geschehen war. Wie es dazu kam, dass er zu einer Waffe wurde. Ich werde Euch jetzt von der Nacht erzählen, in der wir alles verlor. Wir waren in Ceris gewesen, ein Ort in der Nachbarschaft eures Landes und nahe an der Grenze. Der Abend war wie jeden Abend gewesen: Wir führten unsere Kunststücke auf. Damals war Kenai 12 Jahre alt gewesen und gemeinsam mit Winona füllte er die kleine Pausen, wenn die Akteure sich auf ihren Auftritt vorbereiten mussten. Kenais Schattenspiele hatten jedes Mal unseren Publikum verzaubert und Winona hatte seine Schattengeschichten durch Gesang begleitet. Bei Balladen sang er ebenfalls mit, seine Mutter besaß die Magie der Musik und er hatte einen Teil dieser Gabe geerbt. Trotz den Schatten um ihn herum, war er wie ein strahlender Stern gewesen. Die Aufführung war ein voller Erfolg gewesen, wir hatten danach ein wenig gefeiert und waren schließlich in unsere Wohnwagen schlafen gegangen. Ein ganz normaler Abend…..bis wir plötzlich mitten in der Nacht überfallen wurden“, seine Stimme brach ab und er räusperte sich. Es schien, als würde ihm jetzt schwerfallen zu reden: „Es waren Dämonen gewesen, jedenfalls glauben wir das. Es ging alles furchtbar schnell….überall hatte es gebrannt und überall war……Blut gewesen. Nur wenige hatten diese schreckliche Nacht überlebt….Kenais Familie waren alle tot gewesen…..Aber Kenai konnten wir nicht finden….als wir dann die Überreste seiner Kleidungsstücke in einer Blutlache entdeckten, dachten wir er wäre ebenfalls tot….dass sie seine Leiche mitgenommen hatten….“ Der Mann hörte auf zu sprechen und sein Körper zitterte. Seine Augen hatten sich verändert. Ich konnte die Schatten sehen.


167

03.12.2018, 17:39

Ardan

Als ich in mein Gemach zurückkehrte, fühlte ich mich völlig ausgelaugt. Entkräftet. Leer. Gerade in diesen schweren Zeiten hätte ich nicht damit gerechnet, dass ausgerechnet Jadis wieder in mein Leben treten würde. Jadis und Gilbert. Ich sah den Kuss vor mir und musste unwillkürlich an unseren damals zurückdenken. An die Leidenschaft, die Sehnsucht, das Brennen in der Brust. Ich hatte mich so lebendig gefühlt. So vollkommen. Und jetzt? Jetzt kämpfte ich jeden Tag darum, unter der Last auf meinen Schultern nicht zusammenzubrechen. Für jede einzelne Person in diesem Königreich einzustehen und für ihre Sicherheit zu sorgen. Ich hatte Freunde gefunden, etwas, was ich nie zu wagen gehofft hatte und dennoch... Mein Herz ließ sich nur einmal verschenken. Ich konnte mir keine andere Frau an meiner Seite vorstellen. Ich hatte es versucht. Vergebens. Mittlerweile dienten sie mir nur für eine Sache. Rein körperliche Bedürfnisse.
Seufzend wälzte ich mich im Bett umher, auf der Suche nach dem erlösenden Schlaf. Aber er kam nicht. Es dauerte Stunden, bis ich meine Gedanken so weit unterdrückt hatte, dass ich endlich in eine unendliche Schwärze fallen konnte. Eine Schwärze, die mich gänzlich verschluckte. Morgen war ein neuer Tag. Morgen würde ich alles besser machen.

Jenaya

Ich schaffte es nicht, die Träne in meinem Augenwinkel aufzuhalten. Das Leid dieser beiden Personen traf mich viel zu schwer, viel zu direkt ins Herz. Es kostete mich alle Überwindung, den Kloß im Hals hinunterzuschlucken und genug Fassung zu bewahren. Je mehr ich über Kenais Vergangenheit erfuhr, vom Zirkus, von der Liebe dieser Familie, von seinen Kunststücken und seinen Gaben... Ich konnte das damalige Bild einfach nicht mit dem heutigen verbinden. Die Differenz war zu groß. Eine Person mit zwei völlig unterschiedlichen Geschichten.
Doch ich konnte dem alten Mann den Wunsch nicht verwehren. Ich wusste, was richtig war. Was ich tun musste. Was ich nie hätte aufgeben sollen. Irgendwann hatte ich mich damit abgefunden, dass Kenai so war wie er war. Ich hatte aufgehört Fragen zu stellen und hatte mich mehr auf unsere Beziehung konzentriert. Auf das, was wir zusammen erreichen konnten. Ich hatte aufgehört, nach seinem alten Ich zu suchen.
Kummervoll wandte ich den Blick von dem alten Mann ab. Gutes Herz. Alle glaubten, ich hätte eines, aber manchmal fragte ich mich, ob das wirklich der Fall war. Was Kenai betraf, handelte ich zumeist egoistisch. Ich versuchte, ihn menschlicher zu machen, damit er vielleicht irgendwann die Gefühle erwiderte, die ich für ihn empfand. Nicht, damit er zu sich selbst fand. Und dafür schämte ich mich.
Meine Hände verkrampften sich in meinem Schoß bei dem Gedanken. Ich räusperte mich. >Ich kann Euch das nicht versprechen, aber ich werde mein Bestmöglichstes tun. Ich-<
Meine Lippen kamen zum Stillstand. Ich starrte den Alten an und spürte den Sog seines Geistes. Seiner lebhaften Erinnerungen. Erinnerungen, die seinen Geist tief verwundet hatten und die nun an die Oberfläche traten. Schmerz. Trauer. Verlust. Angst. Ich sah alles. Ich sah Feuer. Ich sah weinende Menschen. Ich sah ein großes Zelt. Und Blut. Da war so viel Blut, so viel Asche, so viele Leichen. Ich wanderte in diesen Bildern umher, ich suchte nach Überlebenden, wie es der alte Mann damals getan hatte. Ich suchte und suchte und suchte und fand ihn nicht.
Meine Atmung beschleunigte sich, der Krampf in meinen Händen wurde stärker, während Tränen meine Wangen benetzten. Ich weinte. Ich weinte um den Verlust, den ich in diesen Erinnerungen erlebte. Die des Alten und der jungen Frau. Sie beiden hatten so sehr gelitten.
Zeitmenschdoku: https://www.youtube.com/@zeitmenschdoku2678
#spreadthelove

168

03.12.2018, 18:21

Hallihallo :)

Jadis

Am nächsten Morgen wachte ich mit neuer Energie auf und erblickte Gilberts schlafendes Gesicht. Wenn er schlief, sah er so unschuldig aus und verwundbar sogleich. Um meinem Herz wurde es warm und ich spürte die zärtliche Zuneigung zu ihm. Am Liebsten wollte ich ihn küssen, er mochte es von Küsse geweckt zu werden und meistens endete es dann, dass wir unsere Zweisamkeit genießen wollten. Meine Wangen wurden warm bei den Gedanken und ich spürte das vertraute Kribbeln in meinem Magen. Doch ich wollte ihn jetzt nicht stören. In der vorletzte Nacht hatte er auf den Mastkorb Wache gemacht und war seitdem kaum zum Schlafen gekommen. Leise schlich ich aus dem Bett und setzte mich ans Tisch. Ich fand ein paar leere Schreibpapiere und eine Feder in Tintenfass. Ich griff nach der Feder und schrieb in eleganter Schrift:

Sehr geehrte Prinzessin Jenaya Corafilia,

wir sind gestern in Reich Ignuale angekommen und die Verhandlungen mit den König Ardan Thyell dauert doch etwas länger als vermutet. Wir haben drei Tage Zeit, um ihn zu überzeugen und ich gebe mein Bestes, damit wir ihn als einen Verbündeten haben. So würden wir die Trimagische Allianz auf unsere Seite haben. Ich bin in guter Dinge und werde Ihnen von den Ergebnisse berichten.
Bis dahin bitte ich Sie zu überlegen, ob sie mich auf meine nächste Mission begleiten wollen. Die jetzige Verhandlung war jetzt die Letzte, danach werde ich heimkehren und meinem Vater Bericht erstatten. Dort werde ich eine Gruppe fähiger Menschen zusammenstellen, die mit mir auf die Suche nach den magische Relikte begeben, damit wir erhöhte Chancen besitzen den dunklen Lord besiegen zu können. Da habe ich an Sie und ihren Leibwächter gedacht, Ihr besitzt Mut und Stärke, die ich für die besondere Mission brauche. Die Mission würde circa nach 2 Wochen meiner Ankunft in meiner Heimat beginnen. Näheres werden ich Ihnen demnächst schreiben.
Bis dahin möget Euch die Winde begleiten,


Jadis Herondale

Ich las einmal den Brief durch und faltete ihn schließlich zusammen. Naher würde ich zu meinem Schiff gehen, um dort nach den Rechten zu schauen und da würde ich unseren Brieffalke losschicken. Die Prinzessin aus Ocamma hatte ich in letzten Monat kennenlernen dürfen, als wir ihr Reich besuchten und mit ihrem Vater für einen Bündnis verhandeln wollten. Bei der Verhandlung war sie ebenfalls anwesend und mich hatte ihr Auftreten beeindruckt. Wir ähnelten uns, wir Beide waren Prinzessinnen, die handeln wollten und bereit waren für den Frieden zu kämpfen. Wir wollten keine Dekorationen sein und brav in den Schloss sitzen. Ich hatte sie sofort gemocht und entschied mich ihr die Briefe zu schicken, damit sie zuerst die Informationen erhielt und sie dann ihrem Vater weiterreichen konnte. Ihr sollte nämlich nichts entgehen. Ich hoffte, sie sagte zu der Mission zu. Ihren Leibwächter, Kenai, den hatte ich als schweigsam und....irgendwie leblos kennengelernt. Ihn sollte man definitiv nicht zu Feind haben, denn er war bis zum Äußerste bereit, um seine Prinzessin zu beschützen. Zudem hatte ich erfahren, dass er sogar eine lebendige Waffe war. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass er keine Erinnerungen und Gefühle besaß. Das er nicht wirklich menschlich war. "Jadis...", murmelte eine schlaftrunkene Stimme und lächelnd drehte ich mich um. Gilbert wachte gerade auf. Ich stand auf und kroch in seine ausgestreckte Arme. Unsere Küsse wurden inniger und dann.....
Nach unsere intime Zweisamkeit entschied ich mich das Kleid von Gestern anzuziehen, da es am Frischesten war und noch nicht roch. Wenn wir naher beim Schiff vorbeischauten, sollte ich auch an die Wechselkleidungen denken. Ich wollte wieder Das Uniform einer Windreiterin tragen. Ich fühlte mich in ihnen viel freier. Im Gang trafen wir Inej und gemeinsam gingen wir in Richtung Speisesaal. Ich war voller Entschlossenheit. So schnell würde ich nicht aufgeben. Ein neuer Tag, ein neuer Beginn.

Kenai

Die Wangen der Prinzessin waren feucht geworden, da Tränen aus ihre Augen kamen. Sie weinte. Vermutlich weinte sie wegen der erzählte Geschichte, wo ich scheinbar die Hauptrolle war. Der alte Mann hatte von einem Überfall gesprochen, von Tote, Blut und Feuer. Er erwähnte auch von Dämonen, nur war er sich nicht in Klaren, ob es wirklich Dämonen gewesen waren. Die Prinzessin brach ihren nächsten Satz ab und ihre Wangen wurden nasser. Als würde Regen auf sie herabfallen. Die anderen Beiden weinten auch. Ich verstand es nicht. Ich verstand nicht, was Trauer bedeutete. Trauer hatte definitiv mit Tränen zu tun, aber ich wusste nicht was man bei Trauer fühlte. Der alte Mann beruhigte sich als erster und wischte die Augen trocken: "Es tut mir leid, mit den Alter wird man sentimentaler und....der Zirkus war unsere Heimat gewesen. Vor den Zirkus war ich ein armer Bettler gewesen, der aufgrund seines gelähmten Beines, nicht mehr in der Miene arbeiten konnte. Eines Tages war der Zirkus in meinem Dorf gewesen und Hakoda war auf den Marktplatz gewesen, um Nahrungsmitteln für seine Leute zu holen. Dort war ich auch gewesen und versuchte durch Geschichtenerzählungen mein Brot zu verdienen. Er hörte mir zu und gab mir plötzlich eine Eintrittskarte. Er meinte nach der Vorstellung wollte er mich gerne zum Abendmahl einladen, seine Frau würde den köstlichsten Eintopf, den man je gegessen hatte, kochen. Ich hatte seine Einladung angenommen, in seine Augen hatte ich nur Freundlichkeit gelesen und Korra, sie war damals mit Kenai schwanger gewesen, hatte tatsächlich den köstlichsten Eintopf der Welt gekocht. An jenem Tag hatten sie mich in ihrer Familie aufgenommen, ich wurde ein Teil von diesem Zirkus. Winona wurde ebenfalls von Hakoda gefunden, sie war ein Straßenmädchen gewesen und er wollte ihr ein Zuhause schenken. Alle Menschen dort in den Zirkus hatten ein großes Päckchen zu tragen und waren einsam gewesen. Aber Hakoda und Korra hatten sie alle bei sich aufgenommen, akzeptierte Jeden so wie er war. Wir waren alle eine Familie gewesen."


169

03.12.2018, 18:46

Hallöööchen ;) Na, wie gehts wie stehts?

Ardan

Der nächste Morgen begann mit heftigen Kopfschmerzen. Keine Seltenheit. Wenig Schlaf bedeutete Schmerz. Deswegen wunderte es mich nicht, dass nachdem ich mich fertig angezogen hatte, eine Dienerin an meine Tür klopfte und ein Tablett mit Frühstück sowie einem Tee zur Beruhigung hereintrug. Ich bedankte mich bei ihr und sah zu, wie sie die Tür wieder hinter sich schloss.
Auch wenn ich im Saal Frühstück zu mir nehmen konnte, mit unseren Gästen, so hatte ich heute einiges an Arbeit zu erledigen. Nett frühstücken war nur eine Zeitverschwendung. Raja würde sich schon um die Höflichkeiten kümmern. Immerhin gehörte das zu seinen Aufgaben.
Ich hingegen musste mich gleich ins Arbeitszimmer verziehen und sowohl Azuria als auch Thales anrufen. Sie darüber informieren, wen ich zu Besuch hatte und wie wir weiter vorgehen mussten. Vor langer Zeit hatten wir einen großen Plan geschmiedet, um die Sicherheit unserer Völker zu gewährleisten und so wie die Dinge gerade standen, klappte alles bestens. Trotzdem durften wir nicht nachlassen. Nicht den Fokus verlieren. Es gab noch einiges zu erledigen. Viel zu viel. Jeden Tag.
Ein schwerer Seufzer verließ meine Lippen. Ich setzte mich ans Fußende des Bettes, stellte das Tablett auf meinen Oberschenkeln ab und nahm erst einmal einen tiefen Schluck vom Tee. Er war nicht zu warm, nicht zu kalt. Perfekte Temperatur. Und er zeigte Wirkung. Die Kopfschmerzen verschwanden. Ich atmete erleichtert auf. Entspannte mich.

Jenaya

Ich riss mich aus den Erinnerungen des alten Mannes. Schaltete das dritte Auge ab, das sich von allein aktiviert hatte. Besonders in emotionalen Situationen. Schniefend wischte ich mir die Tränen fort, sammelte mich. Mein Herz schmerzte noch, aber ich hielt es nun besser aus. Ich hatte genug gesehen. Genug gefühlt.
> Das hört sich wirklich nach einer tollen, liebevollen Familie an. Ich kann mir vorstellen, wie eng ihr alle miteinander wart und es tut mir furchtbar leid, dass man euch das genommen hat.< Schatten huschten über mein Gesicht. Dämonen. Sie hatten so viel zerstört. So viel Leid verursacht in dieser Welt, die von Frieden beherrscht werden sollte. >Ich hoffe, dass ihr irgendwann damit abschließen könnt und ich werde mein Bestes tun, um Kenai Frieden zu schenken.< sagte ich ernst. Es lag mir viel daran, diesen Menschen zu helfen, Kenai sowieso. Ich wusste nicht wie, aber ich würde einen Weg finden.
>Braucht ihr sonst noch etwas? Kann ich euch irgendwie helfen?<
Zeitmenschdoku: https://www.youtube.com/@zeitmenschdoku2678
#spreadthelove

170

03.12.2018, 19:13

Ganz gut, mir fehlte heute nur das Zeitgefühl und war baff gewesen, dass es schon wieder Abend geworden war XD Und wie sieht's bei dir aus? :)

Jadis


In den Speisesaal war keine Spur von den König zu sehen, uns empfing nur der Berater und meinte der König sein geschäftlich verhindert. Wahrheit oder Lüge? Die Tür sprang erneuert auf, als wir uns gerade hinsetzten und die Prinzessin Zaneri stolzierte herein. "Guten Morgen, Prinzessin Jadis", begrüßte sie mit einem Lächeln, der nicht falscher hätte sein können. "Guten Morgen", erwiderte ich trocken und griff nach einem Brötchen. "Wir werden naher einen Ausflug machen", ließ sie es verlauten und ich verschluckte mich beinahe an den Brötchen. Mit IHR einen Ausflug machen? Da würde ich eher mit Ardan Händchen halten, als mit ihr irgendwo hinzugehen. "Wir besuchen ein Waisenhaus", schob sie nach und widerwillig bemerkte ich mein Interesse. Mir lag das Wohl der Kinder sehr am Herzen. Vielleicht schadete es nicht, das Waisenhaus zu besuchen. Auf diese Weise konnte ich heimlich herausfinden, wie gut um die Bewohnern gekümmert wurde. Besonders um die elternlose Kinder. In einige Ortschaften wurden sie gar vernachlässigt und vergessen. Sie litten am Meisten. "In Ordnung, davor oder danach müsste ich auf meinem Schiff", antwortete ich. "Nach dem Frühstück wollen wir schon losgehen, also danach", sie stand auf, nahm ein Brötchen und verschwand aus dem Raum. "Meinst du wir haben dafür Zeit?", fragte Gilbert mich und ich funkelte ihn an. "Ich meine nur....also da....", stammelte er. "Er meinte, dass er besorgt ist, dass wir dadurch weniger Zeit haben den König zu überzeugen, wenn wir uns nicht mit den Bewohnern auseinandersetzen", übersetzte Inej für ihn. "Ich habe das schon verstanden. Die Kinder sind aber auch Bewohnern dieses Reiches", erwiderte ich barsch. Wenn es um Kinder ging, kannte ich keine Entschuldigung. Gilbert bildete keine Ausnahme, selbst wenn er es gar nicht böse meinte. Bei den Kleinen besaß ich einfach ein großes Beschützerinstinkt.

Kenai



Er schüttelte den Kopf: "Indem Ihr versucht Kenais Seele zu finden, habt Ihr genug für uns getan. Ich weiß nun, dass wir da selbst machtlos sind und ihm nicht helfen können. Doch sollte er sich eines Tages erinnern und mit uns reden wollen, sind wir meist in der Mitte Eure Landes zu finden und wenn nicht, dann gibt es dort Menschen die euch sagen können, wohin wir reisen. Wir Nomaden bleiben nie an einer Stelle stehen, sondern wandern in Eurem Reich umher. Für andere Länder bin ich jedoch mittlerweile zu alt geworden, ich habe genug gesehen und möchte nun mit den Wind gehen bis meine Zeit kommt. Aber das wird eine Weilchen dauern, ich spüre, dass noch etwas Wichtiges bevorsteht." Er stand auf: "Wir sollten zu unsere Gruppe zurückkehren, sie machen sich bestimmt sorgen. Sie gehören übrigens nicht mit zu den Zirkus, ich hatte mit Winona sie später nach dem Überfall gefunden und sie hatten uns aufgenommen. Unsere Herzen bleiben jedoch immer beim Zirkus." Die Frau stand ebenfalls auf und ging auf mich zu. "Kenai, ich werde für dich jeden Tag beten und für dich das Gute-Nacht-Lied, Dir gehört mein Herz, singen, wie es deine Mutter jeden Abend getan hatte." Sie legte die Hand auf meine Wange: "Bitte komme zurück." Dann ging sie zur Tür und nun stand der alte Mann vor mir mit einem ernsten Blick: "Wenn ein kleines Stück von dir noch da ist, dann kämpfe darum und denke daran, sie sind immer bei dir, Kenai Reavstone." Er legte kurz die Hand auf meine Schulter und dann verließ er mit der Frau das Zimmer.


171

03.12.2018, 19:31

Hahahah, das passiert mir auch hin und wieder XD Mir geht es gut, nachher gehe ich ins Tanzen. Das brauche ich nach all dem Essen, das ich in den letzten Tagen gefuttert habe hahaha

Ardan

Das Frühstück verschlang ich recht schnell. Ich verschwendete ungern Zeit und stellte das Tablett auf der Kommode ab, das die Dienering später holen würde, wenn sie mein Gemach wieder auf Vordermann brachte. Manchmal hinterließ ich Chaos in diesem Raum. Manchmal wegen Gefühlsausbrüchen. Manchmal weil mich die Arbeit bis ins Bett verfolgte. Manchmal auch beides gleichzeitig.
Bevor ich jedoch das Zimmer verließ, fiel mein Blick auf die Truhe neben meiner. Jadis' Truhe. Ich hatte es nicht übers Herz gebracht, sie wegzuschmeißen. In ihr ruhte die Drachenblüte, die ich ihr geschenkt hatte. Sie war ein Symbol dessen, was ich für sie empfand und obwohl sie nicht viel von mir hielt, konnte ich mich nicht davon befreien. Mich nicht endgültig verabschieden. In dieser Hinsicht blieb ich schwach. Früher oder später würde mich das töten, dessen war ich mir absolut sicher. Mein Vater hatte mir dasselbe kurz vor seinem Tod prophezeit. Dass mein selbstloses Herz mein Untergang sein würde. Das war das erste und letzte Mal, wo wir beide dieselbe Meinung zu etwas gehabt hatten.
Da ich aber nicht an dieses Monster denken wollte, sperrte ich sein Gesicht in den hintersten Winkel meines Geistes. Ich war ein guter König. Zugegeben, manchmal hatte ich meine Launen, aber im Endeffekt hatte ich dem Volk Ignulae ein friedliches Leben geschenkt. Sie vertrauten mir und ich hatte nicht vor, dieses Vertrauen zu brechen.
>Guten Morgen, Mahajal.< begrüßten mich zwei Dienerinnen, als ich mich ins Arbeitszimmer begab. Ich nickte ihnen kurz zu, hörte sie leise aufseufzen und verschwand sogleich in Vaters altes, umstrukturiertes Gemach.
Mir gegenüber gab es keine Wand, sondern eine durchsichtige magische Barriere, durch die ich nach draußen auf die Stadt blicken konnte. Ein wunderbarer Anblick. Einer, der mich wiederholt daran erinnerte, warum ich das tat, was ich tat. Rechts davon stand der wuchtige Schreibtisch aus dem besten Holz, das ich hatte auftreiben können. Er war mit Papieren und anderen Kleinigkeiten vollgestellt, die ich für meine Arbeit benötigte. Unter all dem Zeug lag eine Karte ausgebreitet, in die ich die Orte eintrug, die ich bereits besucht hatte. Sie diente als Überblick. Eine weitere Weltkarte hing direkt dahinter an der Wand. Dort trug ich zusätzlich Notizen ein, die nur ich sehen konnte. Es waren magisch verschlüsselte Worte. Nicht einmal Raja war in der Lage, meine Notizen zu lesen. Er wusste nicht davon. Niemand tat es.
Ich zog meinen Umhang sowie das Leinenhemd aus und legte die Sachen über die Stuhllehne. Von morgens bis abends war mir meistens unheimlich warm, deshalb bevorzugte ich es, so oft wie möglich, oberkörperfrei zu arbeiten oder zu entspannen. Natürlich nur, wenn ich allein war. Dass mich Azuria und Thales gleich so sehen würden, stellte kein Problem dar. Sie waren daran gewöhnt und kleideten sich selbst eher freizügig. Besonders Azuria, die Königin der Sirenen. Thales bezeichnete uns dann gern als das Trinackte Trio. Er war der Kindischte von uns dreien, jedoch nicht weniger gefährlich.
Zuerst brachte ich etwas Ordnung in meine Papierstapel, ehe ich die magische Zauberformel aussprach, die die beiden bodentiefen Spiegel an der gegenüberliegenden Wand aktivierte. Einer der beiden war mit den Symbolen der Sirenen versehen, der andere mit Ornamenten aus dem Königreich der Heißen Quellen. Durch sie war ich in der Lage, meine Partner und Freunde direkt anzurufen.
Thales antwortete als Erstes. >Ari, lange nichts von dir gehört, Drachenjunge! Siehst miserabel aus. Lange Nacht?<
>Halt den Mund, Thales. Im Gegensatz zu dir sieht Ardan wie ein Mann aus. Du steckst mal wieder in deiner jugendlichen, langweiligen Gestalt fest.< meldete sich nun auch Azuria zu Wort.
>Gib doch endlich zu, dass du auf Jüngere stehst, Zuri. Dann komme ich sofort rüber und zeig dir, was dieser Körper noch so alles kann.<
>Ich sollte dich dem Unagi verfüttern.< knurrte sie.
Ja... Das waren wir... Die Herrscher der Trimagischen Allianz.

Jenaya

Ich war unfähig, irgendetwas hinzuzufügen. Die beiden standen auf und verabschiedeten sich von Kenai, als würden sie darauf hoffen, dass er sich urplötzlich wieder erinnert. Dass er zu ihnen als der alte Kenai zurückkehrte. Aber dem war nicht so. Ich brauchte ihn nicht anzusehen, um zu wissen, dass ihn all das nicht berührte. Wenn, dann verwirrte ihn das bloß. Er verstand es nicht. Wie auch?
Meine Tränen waren getrocknet, doch mein Herz weinte weiter. Ich wünschte den beiden Menschen alles Gute für ihre Zukunft und wandte anschließend das Gesicht ab, sah aus dem Fenster hinaus ins unendliche Blau des Himmels. Wie konnte dieser Tag nur solch einen Lauf nehmen? Warum ausgerechnet heute? Warum diese Menschen? Warum brachten sie alles aus dem Gleichgewicht?
>Kenai... Kannst du bitte rausgehen? Ich möchte jetzt gerne für ein Weilchen alleine sein. Falls jemand nach mir verlangt, schick sie weg. Ich möchte von niemandem gestört werden.< wies ich ihn an, obwohl es mir missfiel, ihn mit Autorität in der Stimme zu befehligen. Ich wollte ihn nicht wie eine Waffe behandeln, aber in diesem Moment brach etwas in mir auseinander und gab eine Angst frei, die mich nicht klar denken ließ. Deshalb benötigte ich Freiraum. Zeit, um mich zu sammeln.
Zeitmenschdoku: https://www.youtube.com/@zeitmenschdoku2678
#spreadthelove

172

03.12.2018, 19:35

Azuria




Thales

jugendliche Gestalt


erwachsene Gestalt
Zeitmenschdoku: https://www.youtube.com/@zeitmenschdoku2678
#spreadthelove

173

03.12.2018, 19:56

Hehe, in Winter neigt man immer dazu viel zu essen - das Problem kenne ich sehr gutXD

Jadis


Nach dem Frühstück wurden wir zum Ausgang des Schlosses geführt, wo bereits die Prinzessin Zaneri erwartete. Ich hatte mich gegen meinem Schwert entscheiden, weil ich die Kinder nicht erschrecken wollte. Gilbert würde niemals seine Waffe ablegen, wenn er mit mir unterwegs war und Inej trug sowieso nur wenige Waffen, die eher wie Spielzeuge aussahen, was sie aber nicht waren. "Die Kutsche wartet bereits auf uns", meinte die Prinzessin, deren Plan ich nicht verfolgen konnte. Warum diese geheuchelte Freundlichkeit? Und warum das Interesse an meiner Person? Es stank gewaltig. Ich fragte mich, ob sie von ihrem Bruder mich ausspionieren sollte. Mein Mundwinkel verzog sich einen Moment. Wir stiegen in die Kutsche ein. Die große, schwarze Pferde sahen majestätisch aus. Die Hufen klapperten auf den Stein und wir verließen das Schlossgelände. Ich schaute aus dem Fenster und war schon neugierig wie die Stadt hier war. Fremde Ortschaften fand ich faszinierend, es gab immer was Neues zu lernen und Neues zu sehen. "Das Waisenhaus ist ein Projekt meines Bruders", begann Zaneri zu erzählen: "Er holt alle elternlose Kinder aus aller Welt, die von Kriege betroffen sind und gibt ihnen ein neues Zuhause." Ich blinzelte. Das tat er wirklich? Ich musste an seine kalte Maske von damals erinnern. Und an die warme Maske, die er vor dem Betrug getragen hatte. Und ich dachte an Zen, wie er mit Zen umgegangen war. Alles widersprach sich. Was war Wahrheit, was war Lüge? Innerlich schüttelte ich Kopf. Halt. Ich durfte mich davon nich täuschen lassen. "Ein großzügiges Handeln", bemerkte Inej. Die Prinzessin lächelte schmallippig. Wir erreichten die Stadt und es war schon beeindruckend wie sie auf der Klippe aufgebaut war. Die Gebäuden waren aus hellem Stein und hatten blaue Dächer. Überall ragten die Mauer am Berg hoch oder schmiegte sich an den Klippenrand. "Wir sind da", bemerkte die Prinzessin von Ingluae. Wir schienen in eine ruhige Viertel zu sein und ich entdeckte ein großes, freundlich wirkendes Haus. Der Garten vor dem Haus wirkte gepflegt. Wir stiegen aus und ging durch das Tor. Irgendwo hörte ich Gelächter von Kinder. Die Prinzessin zog an der Glocke. Eine Frau in Schwesterntracht öffnete die Tür, ihre Augen weiteten sich überrascht und sofort verneigte sie sich: "Welch eine große Eure euch hier anzutreffen." " Prinzessin Jadis aus Aradon möchte gerne das Waisenhaus sehen." Sie ging einfach rein und ich sah kurz das Rümpfen ihrer Nase, als wollte sie nicht wirklich hier sein. Wieder fragte ich mich, was sie dann vorhatte. Wieder verneigte sich die Frau, diesmal vor mir: "Welch eine große Ehre!" Sanft lächelte ich sie an: "Ich hoffe wir kommen nicht ungelegen, ich möchte Euch keine Umstände bereiten." "Nein, nein. Das tut ihr ganz und gar nicht", beeilte sie sich zu sagen. "Wo sind denn die Kinder?", fragte ich. "Da es ein schöner Tag ist, spielen sie gerade im Garten. Folgen Sie mir", erklärte die Frau und führte uns nach draußen in den Garten, der hinter dem Haus lag.

Kenai


"Zu Befehl", war meine monotone Antwort und mit einem ausdruckslosem verließ ich das Zimmer, wie die Prinzessin es befohlen hatte. Direkt vor der Tür positionierte ich mich und würde Niemanden reinlassen bis die Prinzessin diesen Befehl aufheben würde. Es war so, als hätte die beiden Besucher nicht gegeben, die über meine Vergangenheit was zu wissen schienen. Nichts hatte sich in mir geregt. Vermutlich hatten sie mit einem anderen Kenai verwechselt. Ich war zu einer lebendige Waffe erschaffen mit eine einzige Lebensaufgabe, das Leben der Prinzessin zu beschützen. Ich starrte die Wand von mir gegenüber an. Einige Menschen gingen an mir vorbei. Die Meisten waren von Personal. Wie ich, schenkten sie mir keine Aufmerksamkeit. Jeder hatte hier seine Aufgabe. Jeder erfüllten nur seinen einzigen Zweck. Nicht mehr, nicht weniger.


174

03.12.2018, 20:07

Hahhaha, ist echt so XD Oh, hab übrigens zu Azuria und Thales Bilder eingefügt ;) Und ich muss dann auch schon off, wünsche dir einen erholsamen Abend *_*

Ardan

Mit den beiden wurde es nie langweilig, aber hin und wieder wünschte ich, sie könnten sich auf das Wesentliche konzentrieren, anstatt sich gegenseitig aufzuziehen. Das taten sie nämlich jedes Mal, wenn sie aufeinander trafen. Selbst wenn wir zu dritt telefonierten. Mittlerweile hatte ich verstanden, dass beide etwas voneinander wollten, es sich aber nicht eingestanden. Azuria gab mir oftmals zu verstehen, dass sie lieber mich als Gemahl hätte. Sie hatte in der Vergangenheit, als wir uns noch nicht gut genug kannten, versucht, mir eine Hochzeit anzudrehen, bis sie schließlich einsah, dass es keinen Zweck hatte. Mein Herz gehörte nur einer Frau, da gab es keine andere Option. Dennoch ließ sie es sich nicht entgehen und machte mir zum Vergnügen Avancen. Meistens, wenn Thales anwesend war.
Wie gesagt... Die beiden waren stur und blind für das Offensichtliche. Aber ich mischte mich nicht ein. Dazu besaß ich nicht das Recht.
>Ardan ist muskulöser als du. Und diese Tätowierung erst...< Azuria verdrehte genüsslich die meeresblauen Augen. >Welche Frau wird da nicht schwach? Aber du? Du bist einfach du.<
Thales öffnete empört den Mund und verschränkte in kindischer Manier die Arme vor der Brust. Dass er lässig im Schneidersitz auf dem Thron saß, stellte ihn dabei auch in kein besseres Licht. >Ich bin einfach ich? Soll das jetzt ein Kompliment sein?<
>Nein, Rotauge. Eben nicht.<
>Rotauge...< Thales lachte. >Wie kreativ.<
>Leute!< warf ich leicht genervt ein. Ich massierte mir die Schläfen. Langsam aber sicher kehrten die Kopfschmerzen zurück. Vielleicht sollte ich nach einem weiteren Tee fragen. >Können wir uns bitte um wichtigere Angelegenheiten kümmern? Ich habe hier eine Herondale im Haus. Sie will uns für den Krieg gegen den Dunklen Lord gewinnen.<
Zack, schon angebissen. Azuria starrte mich mit offenem Mund an, während Thales in noch lauteres Gelächter ausbrach. Er klopfte sich amüsiert auf den Oberschenkel. >Warte, warte, warte... Verstehe ich das richtig? Eine Herondale? So wie... nun ja, eine weibliche Prinzessin? DIE Prinzessin?<
Ich seufzte. Vielleicht hätte ich es anders formulieren sollen.
Azuria brauchte ein paar Anläufe, um die richtigen Worte zu finden. >Prinzessin Jadis ist in Ignulae? In deinem Schloss? Weil sie uns für den Krieg braucht?<
>O Junge, das klingt noch besser aus deinem Mund.< lachte Thales. Seine Art konnte einen richtig nerven. Mich, in diesem Moment, zum Beispiel.
>Ja.< bestätigte ich ernst. >Ich habe ihr drei Tage gegeben, mein Volk zu überzeugen, damit ich mich nicht darum kümmern muss. Aber wie es ausgeht, wissen wir sowieso.<
>Warum drei Tage?< fragte Azuria verwirrt und band ihr langes, dunkelbraunes Haar zu einem hohen Zopf. Es brachte ihr ovales Gesicht mehr zur Geltung.
>Warum nicht?< zuckte ich abwehrend mit den Schultern. Ich wollte das Thema ungern vertiefen. Thales allerdings kannte so etwas wie Taktgefühl nicht. Er sprach den Punkt an, den auch Raja mir an den Kopf geworfen hatte.
>Ist übermorgen nicht die Gedenkfeier für Leora? Und das Prinzesschen wird dabei sein? Willst du sie etwa zurückgewinnen?<
>Nein, wie kommst du darauf?< wehrte ich erneut ab.
>Du heulst jedes Mal wie ein verlorengegangenes Kleinkind und das macht Frauen unglaublich schwach.<
Azuria nickte zustimmend. >Da hat er recht. Du bist echt niedlich, wenn du weinst.<
>Wie konnte ich nur davon ausgehen, dass ihr beide hilfreich seid?< murrte ich verstimmt und verdrehte die Augen.

Jenaya

Irgendwann schaffte ich es, mich aus meiner Starre zu lösen und ans Fenster zu treten. Draußen konnte ich sehen, wie einige Gäste in ihre Kutsche stiegen und davonfuhren. Das Fest neigte sich dem Ende zu. Familien kehrten zurück in ihre Häuser. Familie... Kenai hatte eine gehabt. Irgendetwas war passiert und man hatte ihn hierher gebracht. Man hatte ihm seine Menschlichkeit genommen, um ihn zu einer Waffe umzufunktionieren. Was würden seine Eltern wohl darüber denken? Was würden sie sich für ihn wünschen?
Schweren Herzens legte ich eine Hand auf das kühle Glas und lehnte die Stirn ebenfalls dagegen. Es half dabei, mich zu beruhigen, meine Gedanken vom Rasen abzuhalten. Sie wirbelten langsamer in meinem Kopf herum.
Wie sollte ich Kenais Seele zusammensetzen? War das überhaupt möglich? Musste ich nun doch neue Wege finden, Dinge über ihn herauszufinden, die ihn letzten Endes vielleicht von mir trennten? Konnte ich das tun? Das Risiko eingehen? Es kribbelte in meinen Fingern, meine Gedanken und Gefühle niederzuschreiben. Ich brauchte mein Buch. Ich brauchte diese Art der Verarbeitung.
Aber im Moment brauchte ich einfach nur Ablenkung.
Zeitmenschdoku: https://www.youtube.com/@zeitmenschdoku2678
#spreadthelove

175

03.12.2018, 20:34

Ich finde die Beiden klasse, sie haben Humor und die Bilder sehen toll aus *__* Danke :) Viel Spaß beim Tanzen:D

Jadis


Der Garten war ein Paradies für Kinder, sie hatten viel Platz zum Toben und es gab viele Möglichkeiten für sie, um kleine Abenteuer zu erleben. Zum Beispiel das Klettergerüst. Wäre ich ein Kind, wäre ich wahrscheinlich bei diesem Anblick vor Begeisterung ausgerastet und hätte jede Parcours ausprobiert. "Kinder, wir haben Besuch!", klatschte Mirabell in die Hände. Sie hatte sich eben uns kurz vorgestellt. Sofort hörten sie auf zu spielen und rannten auf uns zu. "Oh, das ist aber nicht Ardan", schmollte ein kleiner Junge. "Nun, der König hat viel zu tun und es ist höflich seine Gäste freundlich zu begrüßen. Sie kommen aus einem fernen Land. Das ist Prinzessin Jadis Herondale aus Aradon." "Eine Prinzessin", sagte ein Mädchen mit Zahnlücke verzückt. Niedlich. Einfach nur niedlich. Ich wollte am Liebsten mit jeden Kind knuddeln. Es dauerte nicht lange bis das Eis gebrochen wurde und ich saß mitten in einem Schar aus Kinder. Ich hatte schnell herausgefunden, dass sie Geschichten liebten. Besonders Geschichten aus einem anderen Reich. Aber welches Kind tat es nicht gerne? "Prinzessin Jadis?", störte uns Prinzessin Zaneri: "Ich muss was Wichtigstes erledigen, ich komme zufällig am Hafen vorbei und kann deine Gefolgsleute mitnehmen. Dann habt Ihr mehr Zeit für wichtigere Dinge. Jemand wird Sie naher abholen und sicher zum Schloss zurückbringen." Ich zog ein Augenbraue hoch. Doch dann sah ich die leuchtende Augen der Kinder und mein Herz gab in wenige Sekunden nach. "Das klingt nach eine vernünftige Idee, dann habe ich tatsächlich ein wenig mehr Zeit für die Kinder", antwortete ich und stand auf. "Gilbert, du schaust nach den Rechten auf dem Schiff und Inej, ich möchte dass du diesen Brief verschickst", ich reichte ihr den Brief, der an Prinzessin Jenaya adressiert war. "Ich lasse dich hier nicht alleine!", widersprach mir Gilbert. Ich verdrehte die Augen: "Die Kinder werden kaum mir Schaden zufügen wollen. Ihr kommt auch naher zurück." "Ist gut", Inej machte sich weniger Sorgen um mich. Sie war in der Meinung, dass wir Frauen unsere Stärke auch beweisen mussten und nicht nur davon sprachen. "Bitte, ich spürte auch keine verdächtige Luftschwingungen", ich sah Gilbert an und er seufzte: "Das gefällt mir nicht. Aber na gut." Wenig später brachen die Beiden mit der Prinzessin auf. "So, wer hat Lust auf ein Fangspiel?", klatschte ich in die Hände und grinste die Kinder an. Sofort schrieen alle: "IICCHH!" "Toll, welches Fangspiel kennt ihr?", erkundigte ich mich lächelnd. "Der Drache fängt die Hasen!", sagte ein Kind. Mir wurde das Spiel erklärt und alle Kinder entschieden einstimmig, dass der Drache ich sein sollte. Also war ich der Fänger, der nach den Hasen jagte. Ich musste schmunzeln und dann sagte ich mit eine verstellte, bedrohliche Stimme: "Uaaahh, hier kommt der große Drache und will alle Hasen fressen!"

Kenai


Das Fest war offensichtlich vorüber, denn es liefen eine Gäste an mir vorbei, um nach draußen zu gelangen und zudem war keine Musik mehr zu hören. Die Prinzessin befand sich immer noch in dem Raum und somit blieb ich regungslos an meiner Stelle stehen. "Ist die Prinzessin dort?", fragte mich ein Wache, als er aus dem Festsaal kam. "Ich habe den Befehl Niemanden reinzulassen, die Prinzessin wünscht sich alleine zu sein", antwortete ich mit der gleichbleibende Stimme. "Der König und die Königin wünscht sich aber sie zu sehen", erwiderte der Wache. Zwei königliche Befehle. "Ich habe den Befehl der Prinzessin Niemanden reinzulassen", wiederholte ich mich tonlos. Der Befehl der Prinzessin besaß mehr Gewicht, da ich ihre lebendige Waffe war. Ihr Leibwächter. Und zudem war sie erwachsen und konnte nun reife Entscheidungen treffen. Also war ihr Befehl mein oberster Befehl, ganz gleich ob der König ebenfalls ein Befehl aussprach. Ich würde zuerst ihren Befehl folgen, das war meine Pflicht. "Dann werde ich das der Majestät ausrichten", meinte der Wache. Er kam nicht auf die Gedanke mit mir anzulegen, er wusste, dass er verlieren würde.


176

04.12.2018, 05:59

Ardan

Irgendwie hatten wir es geschafft, endlich das Thema Jadis loszuwerden, obwohl ich deutlich spürte, wie die beiden die neue Situation im Hinterkopf behielten. Ich sah es in ihren bedeutungsvollen Blicken, wenn kurz Stille in der Runde herrschte. Dass meine engsten Vertrauten von dem ganzen Drama wussten, lag daran, dass es mich sehr stark geprägt hatte und viele meiner Handlungen sich nur so erklären ließen. Und in einer echten Freundschaft zeigte man dem anderen die eigenen Schatten. Nicht unbedingt alle, aber die meisten. Azuria und Thales verstanden mich beispielsweise anders als Raja. Raja kannte mich nämlich länger und lebte zudem im selben Schloss wie ich. Er hatte mehr gesehen. Mehr erlebt. Ob er gerade mit Jadis und ihr Gefolge herumführte? Welchen Eindruck hatte sie von meinem Königreich? Gefiel es ihr hier? Hatte sie es sich anders vorgestellt? Ein düsterer Ort voller zwielichtiger Gestalten?
Aus einem mir unerfindlichen Grund musste ich wegen der Vorstellung lächeln. All die Geschichten... Sehr viele Leute schenkten ihr Glauben und malten sich die schlimmsten Dinge aus. Azuria nervte es besonders, dass man sie als "ekelhaftes Fischmonster" beschrieb. Eine grausame und hässliche Königin, die die Herzen ihrer Opfer aß. Nichts davon traf zu, wobei grausam manchmal durchaus stimmte. Frauen waren unabhängig ihrer Art unberechenbare Wesen. Und Thales? Über den gab es nicht einmal klare Überlieferungen. Er war wie eine Geistergestalt, jemand, den man nicht wirklich zu Gesicht bekam. Nicht einmal das Volk selbst. Auch das stimmte nicht. Er pflegte ein engeres Verhältnis zu seinen Leuten als Azuria und ich zusammen. Er war ein Volksmann durch und durch. Deshalb harmonierten wir zu dritt sehr gut. Wir ergänzten uns perfekt und stärkten den anderen. Schwächen wurden ausfindig gemacht und sogleich verbessert oder gänzlich eliminiert. Seit Jahren betrieben wir die Trimagische Allianz mit einer hunderprozentigen Erfolgsquote. Etwas, worauf wir drei sehr stolz waren. Ich dachte gern an die Zeit zurück, in der wir nur waghalsig Pläne geschmiedet und über unerreichbare Träume gesprochen hatten. Viele dieser Träume hatten wir bis jetzt sogar realisiert.
>Nun gut, ich muss jetzt los zu einem anderen Treffen. Sprechen wir uns übermorgen?< fragte Azuria und erhielt von uns beiden Männern ein klares Ja. Das morgendliche Gespräch war hiermit erledigt.
Die Gesichter meiner Freunde erloschen und zurück blieb ich. Mit einer Menge Papierkram, für den ich echt keine Lust aufbringen konnte. Vielleicht sollte ich den Besuch im Waisenhaus vorverlegen und den gesamten trockenen Kram später erledigen... Das klang nach einer guten Idee. Ich brauchte Ablenkung.
Eilig zog ich mich an und öffnete eine der Schubladen in meinem Schreibtisch, in der ich diverse magische Steine verwahrte. Die dunkelgrünen in Form eines einfachen Kreises dienten der Teleportation. Damit sparte ich eine Menge Zeit und musste nicht an jeder Straßenecke anhalten, um jemanden zu begrüßen. Natürlich wusste ich den Respekt jedes einzelnen Bürgers zu schätzen, aber manchmal wollte ich ohne Unterbrechung von A nach B gelangen. Und diese Steine halfen mir dabei, in einem Augenaufschlag ins Waisenhaus zu gelangen. Die Frauen, die dort täglich arbeiteten, wussten Bescheid. Sie erschreckten sich nicht, wenn ich plötzlich mitten im Gang auftauchte und auch die Kinder schienen daran ihren Spaß gefunden zu haben.
Der vertraute Geruch nach frisch gewaschener Kleidung, Fingerfarben, Stofftieren und herumliegendem Essen entspannte mich ungemein. Hier konnte ich dem nachgehen, was mir einen Sinn in diesem Leben voller Lasten gab. Ich gab Kindern ein Zuhause und ließ sie in einem liebevollen Umfeld aufwachsen. Jedes von ihnen wurde zudem gebildet, damit alle auf dem gleichen Stand waren und später einen Beruf ausüben konnten. Da aber die allermeisten in einem recht jungen Alter waren, wünschten sie sich nur Spielzeug.
Ende der Woche würde ich jedem Kind eine Kleinigkeit schenken. Es gab nichts Schöneres als ihr reines Lachen und ich freute mich schon auf ihre erfreuten Gesichter. Sie hatten das Beste dieser Welt verdient nach allem, was sie bereits erlebt hatten.
>O, Mahajal, Sie sind heute früh da.< Myria, die Besitzerin des Waisenhaus, kam lächelnd auf mich zu. Kleine Falten lagen um ihre Augen, die sie sehr sympathisch machten und ihre ruhige Stimme trug zu einem friedvollen Bild bei. Ich hatte sie von Anfang an gemocht und hatte ihr die ehrenvolle Aufgabe erteilt, mein Projekt zu leiten. Sie liebte diese Arbeit. Das sah man ihr an. >Die Kinder sind gerade draußen und haben großen Spaß mit der Prinzessin aus Aradon. Sie ist wirklich gut darin, die Kleinen auf Trab zu halten.<
Überrascht und verwirrt zugleich starrte ich Myria an. >Prinzessin Jadis ist hier?< Wie das? Raja hätte sie niemals hierhergebracht, er-
>Prinzessin Zaneri hat uns einen überraschenden Besuch abgestattet. Mit unseren ehrenvollen Gästen. Nun ist die Prinzessin allein da draußen und bespaßt die Kinder.< Sie lachte leise in sich hinein.
Mir war jedoch nicht nach Lachen zumute. Jadis hätte dieses Waisenhaus nie sehen dürfen. Auch wenn dies eine gute Seite meiner Herrschaft war, so wollte ich nicht, dass sie in den Bereich eindrang, in dem ich nicht eine distanzierte Maske anbehalten konnte. Umgeben von diesen Kindern brachte ich es nicht übers Herz den unnahbaren König abzugeben. Das war ihnen gegenüber nicht fair.
Und warum in Sakrazhues Namen hatte Zaneri sie hierher geführt? Das war sehr untypisch für sie. Sie hatte nie Interesse an diesem Projekt gezeigt. Sie hielt es für eine Verschwendung in allen Bereichen. Zeit, Budget, Personal... Sie kam eben ganz nach unserem Vater. Diese Schlange.
>Möchten Sie zu den Kindern? Sie werden sich bestimmt freuen, Sie zu sehen.<
Wie konnte ich da Nein sagen? Ich musste mich meinem Schicksal fügen und den Kindern den versprochenen Besuch abstatten. Auch wenn Jadis anwesend war. Sie würde sowieso irgendwelche Gründe dafür finden, mich dennoch weiterhin für ein Monster zu halten. Reiner Selbstschutz. Würde ich an ihrer Stelle auch tun.
Ich folgte Myria nach draußen in den Spielgarten und blinzelte gegen das grelle Sonnenlicht, ehe ich langsam das ganze Bild, das sich mir bot, erfasste. Jadis spielte tatsächlich das Drachenspiel mit den Kindern. Ihr Lachen drang in mein Gehör und erfüllte mein Herz. Diesen Anblick hätte ich mir nicht einmal im Traum vorzustellen gewagt und doch stand ich hier. Überwältigt.

Jenaya

Langsam tat mir der Kopf vom vielen Nachdenken weh. Ich versuchte eine Lösung für das Dilemma in mir zu finden, aber sie kam nicht. Ich brauchte mehr Zeit, mehr Ressourcen, mehr Personen, die ich um Rat fragen konnte. Das Auftauchen dieser Leute hatte einen Stein ins Rollen gebracht, der sich nicht mehr aufhalten ließ. Ich würde bestimmt nicht den Mund halten und so tun, als wäre nichts geschehen. Damit würde ich Kenai nur Unrecht tun und mir lag nichts ferner, als ihn auf diese Weise zu betrügen. Er hatte so viel für mich getan. Er verdiente es, irgendwann die Wahrheit über seine Existenz zu erfahren. Das Wann war hier die entscheidende Frage.
Schwer seufzend löste ich mich von meinem Platz am Fenster und beschloss, das Zimmer zu verlassen. Kenai stand wie immer an seinem Posten und hatte niemanden hineingelassen. Ein treuer Leibwächter wie eh und je. Ich berührte seinen Unterarm, senkte den Blick und dachte kurz nach. >Hat das Gesagte dieser Leute irgendetwas in dir wachgerufen? Irgendwas?<
Zeitmenschdoku: https://www.youtube.com/@zeitmenschdoku2678
#spreadthelove

177

04.12.2018, 07:26

Jadis


Die Kinder kreischten vor Vergnügen, als sie vor mir wegrannten und lachend lief ich ihnen nach. Natürlich nicht zu schnell, damit die Kinder eine Chance hatten vor mir weglaufen zu können. "Hab ich dich!", schnappte ich mir den ersten Hasen und kitzelte ihn durch: "Jam, jam, jam. Jetzt werde ich dich fressen!" "Neiiiin, Hilfe!", kicherte das kleine Mädchen und wand sich. "Los helfen wir ihr, AATTTACCKKEE!", aufeinmal hingen überall Kinder an meinem Körper und lachend fiel ich zu Boden. Geschickt fing ich mich auf, zu Einem um die Kinder beim Fall nicht zu verletzen und zum Anderen um mich selbst nicht zu verletzen. "Geht das Spiel eigentlich nicht anders?", kicherte ich, als sie auf mich kletterten und anfingen mich ebenfalls zu kitzeln. Jemand zog die Sandalen aus. Oh. Oh. Die Füße waren meine kitzelige Stelle. Und das nutzten die frechen Hasen aus. Ich lachte bis mir die Tränen kamen und japste: "In Ordnung, ihr habt gewonnen. Erbarme mich!" "Du wirst nie wieder Hasen fressen, Drache!", verlangte ein Junge. "Ich schwöre!", kicherte ich. Es war lange her, dass ich so ausgelassen war und viel gelacht hatte. Als ich mich sitzend aufrichtete, war mein offenes Haar von dem Spiel zerzaust und ich hatte Grasflecken. Aber das störte mich nicht und es lag nicht daran, dass es ein "Geschenk" von Zaneri war. Wenn es meine eigene Kleidungen gewesen wäre, hätte es mich auch nicht gestört. Das Leuchten der Kinderaugen machte alles wieder wett. "Du bist eine viel tollere Prinzessin, als Prinzessin Zaneri. Sie hat nie mit uns gespielt und besucht uns auch eigentlich nicht", sagte ein Kind. Interessant. Und warum hatte sie mich hierher geführt? Ich wuschelte liebevoll sein Haar durch: "Und ihr seid tolle Kinder." "ARDAN!", kreischte Jemand freudig und plötzlich rannte alle Kinder zu einer Gestalt. Überrascht drehte ich mich um, damit hatte ich jetzt nicht gerechnet und ich konnte meine distanzierte Fassade nicht aufrecht halten. Nicht, wenn ich gerade mit den Kinder gespielt hatten und sie mich so treuherzig anschauten. Die Kinder überfielen ihn geradezu. Sie schienen den König wirklich zu mögen. Vielleicht besaß er genug Anstand, weil ihre Seele am Unschuldigsten waren und sie nicht verdient hatten grausam behandelt zu werden. Mein Herz klopfte plötzlich lauter. Ich sah das innere Bild, wie liebevoll er zu Zen gewesen und jetzt sah ich die Kinderschar um ihn herum. Sie vergötterten ihn. Ich spürte Wärme in meinem Brustkorb. NEIN! Es bedeutete nicht, dass er zu Erwachsene kein Betrüger war. Ich durfte nicht nochmals auf ihn hereinfallen. Ich wollte nicht nochmals diesen Schmerz spüren. Ich stand auf, klopfte den Dreck vom Kleid und fuhr mit der Hand durch das Haar, um es zu ordnen. "Guten Tag König Ardan", begrüßte ich ihn förmlich und war in Stillen über mich in verärgert, weil ich mich aufeinmal unsicher fühlte.

Kenai


Es wurde langsam Abend, die Lichtverhältnisse begannen sich zu verändern und das Personal gingen ihre abendliche Aufgaben nach. Die Prinzessin war demnach lange in dem Zimmer gewesen und ich hatte dafür gesorgt, dass Niemand sie stören konnte. Der Wache war kein zweites Mal erschienen, das hieß der König und die Königin respektierten den Wunsch der Prinzessin. Die Tür öffnete sich und ich trat ein Schritt zu Seite, damit sie hinausgelangen konnte. Es drohte keine Gefahr. Emotionslos sah ich sie an und antwortete: "Nein." Sie hatte meinen Unterarm berührt. Wenn ich Gesicht deutete, war ihr scheinbar wichtig, was ich von dieser Situation hielt. Warum das so war, konnte ich mir nicht erklären. Doch dann erinnerte ich mich etwas. "Der Name der Frau, die meine Mutter sein soll, es hat in den Brustkorb wehgetan. So wie es die Himbeerplätzchen tun, ich bin dann in der Lage für einen Moment Schmerz zu spüren und ich habe die Erscheinung in meinem Kopf gesehen", ich hatte nie was darüber gesagt, weil man mich für defekt gehalten hätte. Dann würde man diesen Fehler aufheben und alles wäre vermutlich verschwunden. Und....ich wollte nicht, dass es verschwand. Diese Sehnsucht war stärker.


178

04.12.2018, 17:29

Ardan

Unwillkürlich begann mein Herz schneller zu schlagen, als die Kinder sich von ihr lösten, nachdem sie mich erblickt hatten. Sie auf dem Gras hocken zu sehen, mit dem wilden Haar und dem ausgelassenen Lächeln auf den Lippen... Ich konnte ja so erbärmlich sein. Hoffnung war dermaßen fehl am Platz.
Bevor ich überhaupt in der Lage war, den Gruß zu erwidern, stürzten sich die kleinen Biester gemeinsam auf mich und warfen mich nieder. Nun ja, ich ließ mich auf den Hintern plumpsen, damit sie leichter an mich herankamen. Kleine Hände betatschten mich, selbst mein Gesicht. Ihr Lachen mischte sich mit meinem belustigten Glucksen. Hier ging es immer sehr lebhaft zu.
>Didi, hast du uns heute was mitgebracht?< fragte der Jüngste der Jungen und blickte mich mit großen, unschuldigen Augen an. Didi war mein Spitzname der Kinder. Irgendeines davon hatte vor einem Jahr damit angefangen und nun hieß ich hier offiziell so. Es störte mich nicht. Es waren Kinder. Sie durften mich nennen, wie sie wollten. Natürlich in einem respektvollen Rahmen.
>Tut mir leid, kleiner Mann. Heute nicht. Aber Ende der Woche bekommt ihr Geschenke.<
Freudiger Jubel brach aus und erneut stürzten sie sich auf mich, während sie ausgiebig lachten. Ich bekam ein Mädchen im Alter von sieben zu fassen und lächelte sie breit an. >Hast du die Prinzessin schon gefragt, auf was man als Prinzessin achten muss? Du willst später Prinzessin werden, oder nicht?<
Ihre hellblauen Augen leuchteten auf. Sie griff sich schüchtern an die geflochtenen Zöpfe und schaute unsicher in Jadis' Richtung. Ich folgte ihrem Blick. Es fiel mir unglaublich schwer, sie nicht verlangend anzuschauen. Jadis sah wunderschön aus. Mit den Grasflecken überall erst recht. >Du brauchst nicht schüchtern zu sein. Von Prinzessin Jadis kannst du viel lernen. Sie ist die Art von Prinzessin, die die Welt braucht und keine Dekoration fürs Haus.<
>Meinst du wie Prinzessin Zaneri?< Ich hustete hinter meiner geballten Faust, um mein Lachen zu unterdrücken. Schon möglich, dass ich nicht immer nett über meine Halbschwester sprach. Sie verdiente es auch nicht.
Ich grinste die Kleine an und schob sie in Jadis' Richtung. >Rem möchte wissen, wie man am besten als stolze Prinzessin auftritt. Willst du es ihr zeigen?< Als mir mein kleiner Fehler bewusst wurde, räusperte ich mich entschuldigend. >Ich meine, möchten Sie es ihr zeigen...?<

Jenaya

Überrascht sah ich ihn an. Er hatte also doch auf etwas reagiert! Auf den Namen seiner Mutter. Und auf die Himbeerplätzchen. Schon damals hatte es mich gewundert, warum er ausgerechnet nur dieses Gebäck gern aß, aber das ergab plötzlich einen Sinn. Das Gebäck hatte ihm seine Mutter damals gemacht. Es war eine Erinnerung an sie. Faszinierend, wie stark der Bund zur Mutter sein konnte...
Dabei stellte ich fest, dass Kenai mir nie davon erzählt hatte. Von diesem Schmerz in seiner Brust. Es stimmte mich traurig, dass er das für sich behalten hatte, wenn ich ihm so oft mein eigenes Herz ausgeschüttet hatte. Das war nicht fair und doch konnte ich nicht böse auf ihn sein. Er wusste es nicht besser. Er hatte seine Gründe gehabt, mir nicht davon zu erzählen. Dennoch... Es versetzte mir einen Stich in der Brust.
Ich atmete tief aus und wanderte mit der Hand von seinem Unterarm zu seiner Wange. Warmes Mitgefühl bildete sich in mir, wollte ihn dort erreichen, wo sein Herz schlug. Aber ich machte mir keine Hoffnung, dass das von einer Sekunde auf die andere klappte. Alles zu seiner Zeit. >Möchtest du mehr über deine Eltern herausfinden? Willst du wissen, wer du warst, bevor du zu meinem Leibwächter wurdest?<
Zeitmenschdoku: https://www.youtube.com/@zeitmenschdoku2678
#spreadthelove

179

04.12.2018, 18:27

Jadis


Ich hob die Sandalen vom Boden auf und meine Füße schlüpften hinein. Die Bänder kamen mir genug Beschäftigung, damit ich mich sammeln konnte. Diese Seite von Ardan brachte mich durcheinander und das durfte ich nicht zulassen. Ich schaute wieder zu ihm rüber, mittlerweile lag er auf dem Boden und wurde von den Kinder überfallen. Mein Herz klopfte wieder lauter. Es war ein dummer Verräter. Ich wollte dieses warme Gefühl nicht spüren, das bedeutete nichts Gutes. Ein Mädchen sah zu mir schüchtern hinüber und ich hörte ihren Gespräch. Scheinbar wollte da Jemand Prinzessin werden. Mein Mundwinkel zuckte leicht, davon träumten wohl die Mädchen, die nicht als Prinzessin geboren wurden. Ich hingegen hatte als Kind geträumt ein Abenteuerin sein zu wollen. Mein Herz stolperte, als er mich duzte. Dann korrigierte er sich selbst. "Natürlich", ich ging auf ihnen zu und kniete mich vor das Mädchen hin: "Ich erzähle dir ein Geheimnis: Vergiss die ganzen königlichen übertriebene Benimmregeln für Prinzessinnen, die sind nämlich völliger Blödsinn. Du muss nicht wissen, wie man aus einer Tasse Tee trinkst. Ich habe bis heute den Unterschied zwischen den "normalen" Teetrinken und den "königlichen" Teetrinken nicht entdeckt. Also das Wichtigste ist das hier." Ich legte meine Hand auf das Herz: "Sei immer du selbst, lass dir nichts einreden du könntest nichts. Denn jeder besitzt Stärke, man muss sie nur finden. Verliere niemals den Mut und deinen Glauben, egal wie schwer eine Situation sein kann. Handle stets gerecht und mit gutem Herzen. Vor allem sei immer für die Menschen da, die dich brauchen, denn das ist deine Aufgabe als Prinzessin. Das Wohl das Volkes und des Reiches ist das Wichtigste." Sanft lächelte ich das Mädchen an und tippte auf ihre Nase: "Ich kann in dir sehen, dass du eine wunderbare Prinzessin werden kannst."

Kenai


Die Prinzessin wirkte nach ihrem Gesichtsausdruck überrascht und bei ihrer Frage sah ich sie gleichgültig an: "Das hat keinen Nutzen für meine Aufgaben. Ich bin jetzt ein lebendiger Waffe, dafür wurde ich erschaffen und meine Aufgabe ist einzig allein Euch zu beschützen. Alles Anderes ist bedeutungslos." Ihre Hand lag auf meiner Wange. Klein und warm. Es gab für mich keinen triftigen Grund etwas von einem Leben zu erfahren, das ich angeblich geführt hatte, aber daran keinerlei Erinnerungen besaß. Es hatte einfach, wie ich es sagte, keinen Nutzen für meine jetzige Aufgabe. Hakoda und Korra Reavstone waren irgendwelche Menschen, die vielleicht mich erzeugt hatten. Dann war ich anscheinend doch auf natürliche Art erschienen, aber schließlich wurde ich modifiziert. Wo ist meine Familie? Ich schaute auf. In dem Gang war kein Kind und keine andere Person. Diese Stimme hatte jedoch nach einem Kind geklungen. War mein Kopf wieder defekt? Möglich.


180

04.12.2018, 18:57

Ardan

Ich versuchte jedes Wort zu erfassen, das Jadis an die Kleine richtete, doch das Kreischen der anderen Kinder machte das fast schier unmöglich. Sie verlangten nach Aufmerksamkeit, zerrten an mir, weshalb ich seufzend aufgab und mich ihnen gänzlich widmete. Der Großteil wünschte sich eine Geschichte. Sie liebten meine Erzählungen, denn nur so brachen sie aus dem Alltagstrott heraus und träumten. Träume waren für Kinder sehr wichtig. Mir war es nicht erlaubt gewesen, darum machte ich es bei ihnen richtig. Hier war Träumen definitiv erlaubt. Niemandes Traum war dumm oder sinnlos. Sie alle waren wertvoll.
>Welche Geschichte möchtet ihr hören?< fragte ich lächelnd in die Runde, als auch schon mehrere Hände in die Höhe gingen. Aus allen Seiten ertönte ein euphorisches IIIICH. Es war wirklich schwer, sich zu entscheiden, daher bot ich ihnen mehrere Geschichten an, aus denen sie dann mehrheitlich abstimmten. Die meisten kannten sie bereits. Trotzdem wurde es für sie nicht langweilig, ein und dieselbe Erzählung nochmals zu hören. Kinder...
Ich richtete mich zu voller Größe auf, krempelte die Ärmel hoch und klatschte in die Hände. Die aufgeregten Gespräche verstummten. Große, erwartungsvolle Augen sahen mich reihenweise an. Kurz huschte mein Blick zu Jadis. Ich fühlte mich nicht wohl dabei, ihr diese Seite von mir zu zeigen, denn das würde die Situation bloß verkomplizieren. Irgendwie. Oder? Dann dachte ich an den Kuss zurück. Jadis und Gilbert. Nein, es würde kein Problem geben. Sie hatte einen besseren Mann gefunden, da konnte mir meine unangebrachte Hoffnung gestohlen bleiben.
Meine Aufmerksamkeit galt wieder den Kindern. Ich breitete die Arme aus, ließ reine Magie in meine Hände fließen und begann Bilder aus rötlichem Licht zu formen. Landschaften, Menschen, fremde Kreaturen aus entfernten Reichen... Ich ließ nichts aus, sondern erzählte ihnen in abenteuerlicher Stimme von meiner Reise ins Reich des ewig schlafenden Waldes. Mit jedem neuen Kapitel wischte ich durch die magisch erschaffenen Szenen und zauberte eine neue herbei. Keines der Kinder unterbrach mich. Sie wurden von der Geschichte, von den Bildern in den Bann zogen. Ihnen war anzusehen, wie sich vorstellten, sie wären genau in diesem Augenblick in diesem fremden Land. Als mutige Abenteurer.
Ich kam zu dem Teil, wo ich einer gefährlichen Kreatur begegnete und mein Schwert ziehen musste. Aufregung zeichnete sich auf den jungen Gesichtern ab. Zwei Jungen ahmten sogar Schwerthiebe nach und feuerten mich dabei an, das düstere Monster zu besiegen.
>Wo sind die Schwachstellen eines Amaragus?< wollte ich wissen, während ich ein imaginäres Schwert auf das Wesen richtete. Mehrere Hände schnellten in die Höhe. Einige hielten es nicht aus und riefen die Antwort aus.
>Am Bauch zwischen den Brustplatten!<
>Hinter den Hörnern!<
>Man muss ihren Schwanz abhacken, sonst trifft dich das Gift!<
Alles korrekte Antworten. Ich erzählte nicht nur Geschichten, sondern bildete die Kleinen auch weiter. Wissen war Macht. Je früher man etwas lernte, desto tiefer sank es ins Bewusstsein und konnte jederzeit abgerufen werden. Zufrieden schwang ich das magische Schwert und verletzte das Monster an den beschriebenen Stellen. Es brach zusammen. Wir hatten gewonnen.
>Hast du das gesehen?< rief ein Junge aus und sprang auf, um meine Hiebe nachzuahmen. Er war der Rebell der Gruppe und schien Feuer und Flamme für Kämpfe zu sein. Aus ihm würde ein guter Krieger werden, dessen war ich mir sicher.
Ich führte meine Hände wieder zusammen und die Szenerie verschwand. >Das war die Geschichte aus dem ewig schlafenden Wald.<

Jenaya

Mit dieser Antwort hatte ich schon gerechnet. Er nahm seine Pflicht eben sehr ernst, er konnte es nicht anders. Ich ließ meine Hand sinken, auch wenn ich ihn gern länger berührt hätte. Doch das gehörte sich nicht. Nicht, solange wir im Flur standen und uns jederzeit jemand sehen könnte. Außerdem sollten wir nicht hier über seine Vergangenheit sprechen. Ich wollte keine neugierigen Mägde vorfinden, die sich hinter Säulen versteckten und unerlaubterweise lauschten. Diese jungen Frauen gingen mir manchmal wirklich auf die Nerven. Auch wenn ich ihre Schwärmerei für Kenai durchaus nachvollziehen konnte. Er war ein Mann. Durch und durch.
Ich schüttelte über mich selbst den Kopf und rieb mir kurz über die Stirn. Solche Gedanken zu diesem Zeitpunkt waren wohl nicht angebracht! Reiß dich zusammen, ermahnte ich mich im Geiste.
>Lass uns ausreiten. Nur für ein bisschen. Ich möchte gerne zu den Wasserfällen gehen.< Dort konnte ich am besten nachdenken, mich der dort vorherrschenden Ruhe hingeben. Es war ebenfalls ein Ort, den ich sehr mochte.
Zeitmenschdoku: https://www.youtube.com/@zeitmenschdoku2678
#spreadthelove