Nic
Die nächsten Tage vergehen zäh und ich verbringe die meiste Zeit betrunken oder am Schlafen. Eigentlich wollte ich schon wieder abreisen, aber ich kann nicht weg. Ich weiß, dass ich das hier nicht einfach abschütteln kann. Wenn ich jetzt wieder gehe und nichts kläre, dann wird mich das für immer verfolgen. Und ich hab schon genug Dämonen in mir, die mich Nachts nicht schlafen lassen, ohne dass ich neue dazu zählen muss.
Allerdings fehlt mir der Mut zu tun was ich eigentlich tun will. Und so hänge ich einfach jeden Abend in der Bar, betrinke mich und versuche mir einzureden, dass der nächste Tag der Tag sein wird an dem ich Kyle konfrontiere, meine Schwester konfrontiere, meinem Dad sage ich was ich ihm schon immer sagen wollte... Natürlich taucht auch Hannah in meinen Gedanken auf. Um ehrlich zu sein, verlässt sie sie nur selten. Nicht einmal wenn ich schlafe, kann ich sie aus meinem Kopf verbannen. Ich träume von damals, träume davon was sein könnte, wie glücklich wir jetzt wären, wenn Claire nur nicht wäre....
Der Donnerstag fängt an wie jeder andere Tag auch. Ich stehe auf, gehe joggen um wenigstens etwas zu tun zu haben, denn diese unterschwellige Wut in meinem Bauch verschwindet nie wirklich. Und so versuche ich sie mit Sport zu killen. Danach springe ich unter die Dusche und mache mich auf den Weg in die Bar, wo Mitchel mich mitleidig und auch leicht abwertend mustert und mir wortlos ein Bier nach dem anderen hinstellt.
Und so vergeht der Tag, bis es draußen kühler wird, die Bar immer voller und mein Kopf immer unruhiger. Und ich weiß nicht was mich letztendlich dazu bringt, doch nach dem gefühlt 12. Bier knalle ich das Geld auf den Tresen, drehe mich entschlossen um und mache mich auf den Weg zu meinem alten Nachhause.
Wut gepaart mit Alkohol und diesem tiefen Schmerz bringt mich dazu meinen Plan ruhig mit Kyle zu sprechen komplett über den Haufen zu werfen, als dieser mir die Türe öffnet. Was danach geschieht, passiert so schnell, dass ich hinterher nicht mal mehr sagen könnte wer angefangen hat. Mein großer Bruder - der schon immer in allem besser war als ich - und ich, wir stehen im Flur und brüllen uns gegenseitig an. "Du wusstest genau wie viel sie mir bedeutet!" schleudere ich ihm entgegen, mal wieder so nahe an den Tränen.
"Nici, hör auf, bitte!" schreit mich Becca an, doch ich nehme sie kaum wahr. Ich sehe nur eines. Meinen Bruder und Hannah. Und die Flasche die ich in der Hand halte, fliegt gegen die Wand, zerschellt und spritzt Bier überall hin. Ich krieg gar nicht mit, dass auf einmal noch jemand neben uns steht. Ich sehe nur meinen Bruder und will mich gerade auf ihn stürzen als ihre Stimme ertönt. "NIC HÖR AUF ER IST NICHT DER VATER." ich halte in meiner Bewegung inne, brauche ein paar Augenblicke um zu realisieren wer das gesagt hat, drehe mich halb zu ihr um und starre sie an. Ihre Worte dringen wie durch Watte zu mir durch. Ich versuche zu begreifen was sie gerade gesagt hat, doch der Alkohol benebelt mein Gehirn. "Was?" bringe ich schließlich hervor, meine Stimme jetzt leiser.
Offene Arme der gewaltigste Protest den wir haben, will sagen: Bevor noch jemand hinfällt, passt bitte aufeinander auf in dieser scheiß Welt!