Nala
Emma und ich arbeiten noch eine Weile schweigend daran den Raum etwas wohnlicher zu gestalten, oder zumindest so weit herzurichten, dass wir ein paar Nächte darin schlafen können. Anschließend versammeln wir uns alle draußen auf dem was früher vermutlich einmal die Hauptstraße gewesen sein muss. Ein paar der Kids haben schon Holz zusammengetragen und versuchen jetzt ein Feuer zu machen. Ich eile sofort zu Hilfe und nach ein paar Minuten lodern wärmende Flammen und werfen Schatten auf die Umgebung, lassen Schatten über die verfallenen und heruntergekommenen Hauswände tanzen. Die Wärme tut gut, denn es hat deutlich heruntergekühlt. Die Kids drängen sich nahe um das Feuer, während sie einen Teil ihrer Rationen aufbrauchen und aufgeregt miteinander reden. Ich sehe wie Emma aufsteht und sich etwas von der Gruppe entfernt, aber ich beschließe ihr nicht zu folgen. Sie braucht ab und zu einfach ihren Freiraum.
Ich beschließe mir ebenfalls ein paar Augenblicke der Entspannung zu gönnen, in denen ich nicht zu sehr über alles nachgrüble was da draußen lauern könnte, oder über die Wahrscheinlichkeit, dass wir sowieso alle in ein paar Tagen tot sein werden, getötet von der Radioaktivität.
Ich lasse mich etwas entfernt von den anderen neben einen Kerl fallen, mit dem ich ab und zu Aufräumdienst im Speisesaal hatte. Ich krame etwas von meinen Rationen heraus und beginne zu essen, während der Kerl - ich glaube sein Name ist Keno - beginnt über den Tag zu reden und darüber was uns noch alles erwarten könnte. Ich höre nur am Rande zu, beobachte lieber die anderen Kids, wie sie reden, lachen, essen oder wie ich einfach nur nachdenklich dasitzen. "Hey, Nala." ich zucke leicht zusammen und wende Keno meinen Kopf zu. "Hmm?" er grinst halb amüsiert, halb genervt und schüttelt den Kopf. "Du hast mir absolut nicht zugehört oder?" Ich versuche krampfhaft mich daran zu erinnern was er gerade gesagt hat, seufze dann aber und gebe zu "Nicht wirklich. Sorry." "Du solltest dich wirklich mal entspannen, Nala. Die Probleme sind morgen auch noch da. Genieß doch einfach mal die Tatsache, dass wir die ersten Menschen seit Jahrzehnten sind die einen Fuß auf die Erdoberfläche gesetzt haben. Und wir leben!" "Ja... Noch..." ich stopfe den Rest meiner Vorräte zurück in meinen Rucksack und lehne mich gegen die Hauswand hinter mir. "Okay, eigentlich wollte ich das hier ja nicht teilen aber...." Keno kramt in seinem Rucksack und zieht eine Flasche mit klarer Flüssigkeit heraus. "Wenn du versprichst es niemandem zu sagen, mach ich für dich eine Ausnahme. Du brauchst dringend etwas, was dich locker macht." er schraubt den Deckel ab, nimmt einen großzügigen Schluck, verzieht leicht das Gesicht und hält mir die Flasche anschließend hin. "Ist das.. Ist das Moonshine?" frage ich und sehe Keno überrascht und etwas geschockt an. "Wo hast du den her?" "Gestohlen." zuckt er mit den Schultern und ich komme nicht umhin leicht zu grinsen. "Na los. Lass dich mal ein bisschen fallen. Du hast etwas Spaß verdient." ich sehe von der Flasche zu Keno und wieder zurück. Und obwohl ich weiß, dass es eine Scheiß Idee ist, nippe ich vorsichtig an der Flasche. "Das nennst du einen Schluck?" Ich grinse und nehme einen kräftigen Schluck. Die Flüssigkeit brennt und ich verziehe angewidert das Gesicht. Keno lacht und nimmt mir die Flasche wieder ab. "Man gewöhnt sich dran, glaub mir."
Enio
Heute Mittag, nach so langer Zeit, hat sich der Bunker geöffnet und eine Horde dieser arroganten Höhlenmenschen kam zu Tage. Keiner hat damit gerechnet. Es gab keine Hinweise, keine Warnung. Auf einmal waren sie da und haben sofort eine nahe Stadt in Beschlag genommen, so als befänden sie sich nicht in fremden Territorium. So als gäbe es nur sie und als würde diese Welt ihnen gehören. Heute Abend werden sich die Oberhäupter unseres Klans einfinden und beratschlagen wie wir damit umgehen sollen, aber wenn es nach mir gehen würde, wären sie alle in dem Moment gestorben, indem sie Fuß in unser Land gesetzt haben.
Blake ist losgezogen um die Situation etwas genauer zu untersuchen, während ich zurück geblieben bin um die Kids auf den kommenden Krieg vorzubereiten. Denn nicht nur das plötzliche auftauchen der Höhlenmenschen steht auf unserer Agenda ganz oben. Der Klan von Obadaia macht schon seit Wochen ärger und dringt immer wieder in unser Territorium ein, stiehlt Land, Wasser, Nahrung und vor ein paar Tagen haben sie einen der unseren getötet, den wir als Patrouille am westlichen Ufer des Flusses der unsere Territorien voneinander abgrenzt, stationiert hatten. Das bedeutet Krieg.
"Olias!" meine Stimme schallt über die Lichtung auf der etwa ein Dutzend Kids seit Anbruch des Tages unter meiner Aufsicht kämpfen üben. Natürlich nur mit stumpfen Schwertern, nichts was wirklich großen Schaden anrichten könnte, immerhin brauchen wir die Kids in einem Stück wenn wir gegen Obadaia gewinnen wollen. Olias, einer der ältesten unter den Kids dreht sich zu mir um. "Achte darauf deine Deckung nicht fallen zu lassen. Du verrätst immer genau wo du als nächstes zuschlagen wirst, vergisst dabei deine Deckung und lieferst so dem Gegner eine perfekte Gelegenheit." ich gehe auf die Olias zu, der zusammen mit Skadi trainiert, eine unserer besten Nachwuchskriegerinnen. "Du darfst Skadi nicht durch deine Augen, dein Gesicht verraten welcher dein nächster Zug sein wird. Du musst deine Emotionen kontrollieren. Dein Gesicht muss das eines Kriegers sein. Eine Maske. Nochmal!" Ich trete einen Schritt zurück und nicke Skadi zu, die sich sofort mit einem Kampfschrei auf Olias stürzt.
Nachdenklich beobachte ich wie die Beiden gegeneinander kämpfen. Über die Hälfte dieser Kids hier werden in ein paar Tagen tot sein, sollten wir in den Krieg ziehen. Sie sind nicht so weit. Sie bräuchten noch Monate, Jahre. Aber so läuft das bei uns nicht. Entweder du bist stark genug für diese harsche, grausame Welt oder du wirst von ihr verschlungen.
Offene Arme der gewaltigste Protest den wir haben, will sagen: Bevor noch jemand hinfällt, passt bitte aufeinander auf in dieser scheiß Welt!