Taiga
Ich erwiderte ihre Umarmung und schniefte ebenfalls: "Du bist nicht feige, ich wollte ja, dass du weiterläufst." Die Wärme unsere Freundschaft tat mir gut und ich hatte sie vermisst, obwohl wir gar nicht getrennt gewesen war. Aber gestern hatte sich alles fern angefühlt und ich hatte nur an den Schrecken denken können. Ich löste mich langsam und wischte ihre Wangen trocken: "Wir sind beide keine gute Kämpfer, aber wir sind zumindest gute Überlebenskünstler. Das ist auch was wert." Malevor hatte Recht, meine Stärken lagen woanders und das galt auch für Hanabi. Irgendwann würde die Zeit kommen, wo unsere Stärken gebraucht wurde. Und dann würde ich mich vielleicht nie mehr so unfähig fühlen, wie gestern. Das ich wieder anfing Hoffnung zu schöpfen, war ein gutes Zeichen. Dennoch konnte ich den Schrecken noch nicht vergessen und vielleicht sah ich die Welt auch anders. "Ich glaube ich kann ein Frühstück vertragen und vielleicht sollten wir uns der Familie zeigen. Sie haben bestimmt sich große Sorgen um uns gemacht", sagte ich zu Hanabi.
Fenrir
Ich starrte ihn an und obwohl ich die Worte klar hören konnte, wollten sie mich nicht wirklich erreichen. Meine Hände ballten sich zu Fäuste und meine Augen wurden zu Schlitzen, als ich sie langsam verstand. Bedrohlich leise sagte ich: "Du willst mir etwa sagen, dass ich Alita verrate? Dass ich ihr untreu werde? Mein Herz wird immer ihr gehören!" Mein Bruder irrte sich. Ich hatte keine Gefühle für Hanabi. Der Kuss. Mein Körper erstarrte und mein Herz begann wild in dem Brustkorb zu hämmern. Nein. Das konnte nicht sein. Ich dachte an die Wärme ihres Körpers. An ihrem verlockender Duft. Und dass ich sie immer wieder berühren musste und von ihr berührt werden musste, weil ich sonst wahnsinnig wurde, wenn ich nicht in ihrer Nähe sein konnte. Ich dachte an meinem starken Drang sie beschützen zu wollen. Und dass es mich wild machte, wenn andere Männer sich ihr nähern wollten. Mein Atem stockte und ich taumelte ein paar Schritte nach hinten. Nein. Unmöglich. Ich....ich hatte Alita verraten. Sie war meine Auserwählte, meine Seele hatte sich auf sie geprägt. Wir waren sowas wie Seelengefährten, füreinander bestimmt. Es konnte für mich keine andere Person geben. Deswegen hatte ich auch die Abweisung von Silia ertragen können, weil ein Teil von mir wusste, dass sie nicht die Auserwählte war. Silia war bloß der Weg gewesen, der mich zu Alita geführt hatte. Ein stechender Schmerz in meinem Kopf und in meinem Brustkorb zwang mich in die Knien. Meine Fingern gruben sich tief in die weiche Erde. Die unterdrückte Erinnerung stürmte durch meinem Geist, sodass es mir davon ganz schwindelig wurde.
Plötzlich tauchten Funken vor meinem Gesicht auf und formten sich zu eine geisterhafte Gestalt. „A-Alita“, stieß ich heiser hervor, als ich das Mädchen mit den Hasenohren erkannte. Sie berührte meine feuchte Wange und es fühlte sich wie ein zarter Hauch an, der an einem Frühlingsmorgen die Blumen weckte. Sie lächelte und es linderte ein wenig den tiefbohrender Schmerz. Ihr warmes Lächeln hatte mich früher oft in ihrem Bann gezogen. Meine Pupillen weiteten sich, als Alita mich küsste. Frühlingsduft umhüllte mich und der zarte Hauch auf meine Lippen schmeckte nach Honig. Ich spürte ein warmes Kribbeln auf meine Lippen, merkte wie etwas sich in meinem Brustkorb ausdehnte und fühlte ihre unausgesprochene Worte, als sie mich umarmte. Dahlien krochen aus dem Boden und schienen mich zu umkreisen. Direkt vor mir erschien eine tiefrote Dahlie, die in mir eine Erinnerung weckte. Ich verstand ihre Bedeutung, las die Worte in ihre wunderschöne Augen und konnte nicht glauben, dass sie selbst nach dem Tod immer noch so viel Güte in sich trug. Diese verdammte Welt verdiente sie nicht und verdiente nicht ihr Geschenk. Aber jetzt konnte ich nicht mehr zulassen, dass dieses Geschenk einfach verschwand. Ich würde es beschützen, das war ich ihr schuldig. Alita begann zu verblassen und der zarte Hauch strich über meinem Stirn. Ich spürte erneuert den Schmerz des Verlustes. Und….Hoffnung. Ich sprang auf meine Füße, schaute zum Himmel und rief ihr nach: „Ich….ich liebe dich, Alita! Und ich werde dich finden!“ Das hier war noch nicht unser Ende.
Benommen blinzelte ich, während meine Gedanken wild in meinem Kopf rasteten. Alita. Hanabi. Und plötzlich stoppten die Gedanken und fügten sich zu einem Bild. Die Pupillen meiner Augen weiteten sich und mein Körper begann zu zittern. Laut keuchte ich auf und starrte mein Bruder an: "Ich....ich glaube, sie hat mich gefunden." Das wäre die einzige logische Erklärung, warum ich dasselbe bei Hanbai fühlte wie bei Alita. Sie besaßen die gleiche Seele. Die Seele, auf die ich geprägt war. Hanabi war die Wiedergeburt von Alita. Das würde auch die Ähnlichkeiten erklären. Es würde alles erklären. Fahrig fuhr ich mit der Hand durch das Haar und schüttelte den Kopf. Mein Herz hämmerte immer noch wild in dem Brustkorb. Was, wenn ich mich irrte? Ich würde daran zerbrechen, wenn ich Alita verlor. Und wenn ich auch Hanabi verlor. "Verfluchte Hölle", stöhnte ich leise.