Hanabi
Alles ging viel zu schnell. Plötzlich graste ich nicht mehr friedlich, sondern saß auf einem Ast hoch oben auf einem Baum, während Malevor hinuntersprang, um sich um etwas zu kümmern. Ich befürchtete, dass wieder ein Angriff stattfinden würde. Ein Angriff, der uns beide galt, aber da ich keinerlei Kampferfahrung besaß, war ich nun hier und hatte schreckliche Angst. War der Schöpfer der beiden Brüder so stark darauf versessen ihnen und uns Frauen das Leben zu vermiesen? Wollte er unser aller Tod, nur um seinen Zorn zu befriedigen? Wieso... wieso musste diese Finsternis bestehen? Malevor und Fenrir wollten frei sein. Sie wollten ein besseres Leben führen, doch ihre Vergangenheit ließ sie einfach nicht los. Das tat mir in der Seele weh und gleichzeitig fühlte ich mich so unglaublich hilflos.
Wie aus dem Nichts erschien die erste Gefahr. Ein Mann in blutroter Kampfkleidung. Diesmal also keine Wölfe. Warum? Mir fiel auf, dass ein spitzes Horn aus seiner Stirn herausragte. Wie geschliffener Stein. Demnach war er weder Mensch noch Animagi... aber was war er dann? Er führte sein Schwert mit tödlicher Präzision, aber Malevor schien keinerlei Probleme zu haben den Hieben auszuweichen. Dann sah ich den nächsten Gegner und fast hätte ich einen Laut von mir gegeben, weil Malevor mit dem Rücken zu ihm stand. Eine riesige Keule aus Holz wurde geschwungen. Rechtzeitig wich er der Waffe aus, wirbelte herum und streckte seine Hand aus. Zwei Sekunden später fiel der große, breite Mann in Blau grunzend zu Boden. Als hätten ihn jegliche Lebensgeister verlassen. Was hatte Malevor getan? Mir blieb nicht genug Zeit mir den Kopf darüber zu zerbrechen, da erschien eine Frau mit einer seltsamen violetten Haut. Auch sie trug dieses Horn, nur besaß es eine hellere Farbe. In ihren Händen lag ein dicker Stab, an dessen Ende eine Kugel mit tödlichen Stacheln prangte. Geschickt schwang sie die Waffe über ihren Kopf und griff Malevor mit Kampfgebrüll an. Er duckte sich darunter hinweg, glitt fast schon elegant zur Seite und streckte wieder seine Hand aus. Wie eine Marionette, deren Fäden man zerschnitten hatte, klappte sie zusammen und fiel zu Boden. Zwei Gegner waren somit ausgeschaltet. Die Angst in meinem Herzen ließ ein wenig nach. Wem machte ich schon was vor? Mein Freund hatte alles im Griff. Er reagierte so schnell, als könnte er die Bewegungen der anderen vorausahnen. Der in Rot gekleidete Mann ließ keine einzige Sekunde von ihm ab, sondern griff ihn mehrmals hintereinander an, egal wie oft Malevor auswich. Keine Ahnung, worauf er wartete. Warum er nicht mit ihm dasselbe tat wie mit den anderen beiden. Dann schoss der nächste Feind aus dem Dickicht heraus. Das Schwert aufblitzend, wie ein Speer in der Hand, bereit sich in Fleisch zu bohren. Ich zuckte zusammen, als er sein Ziel erreichte, jedoch in seine Einzelteile zerbrach.
Das war das erste Mal, dass ich sah, wie Malevor eine Verwandlung zuließ. Weißschwarzes Fell überzog seinen gesamten Unterarm, der nun etwas dicker war als der Rest des Arms. Die Hand einer Bestie. Mit schwarzen, tödlichen Krallen versehen. Genau an diesem Körperteil war das Schwert zerbrochen. Ich erinnerte mich an Fenrirs Worte. Daran, dass sein Bruder eine Mischung mehrerer Wesen war und man ihn als ein Monster bezeichnet hatte. Weil man ihn keiner Art zuordnen kannte. Ehrlich gesagt, wusste ich jetzt auch nicht, wie ich das beschreiben sollte, was ich sah. Dabei war es nur ein halber Arm.
Ein Arm, der plötzlich von ihm abfiel und dunkles Blut zu Boden spritzte. Vor Schreck weiteten sich meine Augen, mir blieb das Herz stehen und instinktiv musste ich an Fenrir denken. Ich wünschte ihn mir sehnlichst herbei. Ich wollte, dass dieser Kampf schnellstmöglich ein Ende fand.
Malevor
Indras. Mit diesen Wesen hatte ich nicht gerechnet, zumal sie Hana'yei normalerweise nie verließen. Sie waren treue Nachfolger meines ach so verehrten Schöpfers. Dabei sahen sie nicht ein, dass sie Missbildungen seiner finsteren Machenschaften waren. Sie trugen dieselben Male unter den Augen wie ich. Nur in unterschiedlichen Farben passend zu ihrer verfärbten Haut. Dass sie nun hier waren und mich offen angriffen, bedeutete nur eines: ein offizieller Befehl wurde ausgesprochen, meinen Bruder und mich zu jagen und zu erlegen. Wie schwache Beute. Es beleidigte mich, dass er mir diese Zeitverschwendung von Kriegern an den Hals hetzte. Gerade dann, wenn Fenrir nicht da war, um bei Hanabi zu bleiben. Sie war bestimmt außer sich vor Angst, aber zumindest in Sicherheit. Niemand würde sie finden.
Mit einem dunklen Knurren fasste ich an die offene Wunde, nachdem mir einer dieser Mistkerle den Unterarm abgeschlagen hatte. Dunkelschattenstahl war sehr wirksam gegen die gestärkte Haut eines Dunkelgeborenen. Dass dieser kleine Kerl in weißem Umhang es aber gewagt hatte, mich aus dem Hinterhalt anzugreifen und dabei eine Schattentechnik anzuwenden, um ihn nicht rechtzeitig zu bemerken... für einen Indra sehr beeindruckend. Gleichzeitig hatte er damit sein tödliches Urteil unterschrieben. Drei schliefen tief und fest, um sie nachher besser zu verspeisen. Fehlten nur noch die beiden. Eigentlich widerstrebte es mir sie zu töten, zumal sie an ihrer recht sinnlosen Existenz nichts ändern konnten. Befehl war Befehl. Sie durften sich nicht weigern, sonst erwartete sie der sofortige Tod.
>Es gibt viele glorreiche Geschichten über dich und deinen Bruder. Viele Dunkelgeborene sehen zu euch auf, aber sieh, was aus euch geworden ist.< fuhr mich der rothaarige Indra an. Er hielt sein Schwert fest in beiden Händen. Die Magie in ihm brodelte wie ein fast ausbrechender Vulkan. >Dass ein einfacher Indra in der Lage ist, dem bekannten Malevor den Arm abzuschlagen... das ist ein Zeichen der Schwäche. Ein Verrat an unseren Schöpfer, der euch mit so viel Macht gesegnet hat.<
Meine mit Blut besudelte Hand zuckte. Schwäche? Verrat? Mit Macht gesegnet? Ohne ihn und seinen Kollegen aus den Augen zu lassen, beugte ich mich vor, griff nach meinem monströsen Arm und drückte ihn gegen die offene Wunde. Keine paar Sekunden später schmolzen Knochen und Fleisch zusammen. Ich bewegte ihn wieder, spürte die Energie zurück in meine Finger fließen. >Wenn ihr beide jetzt verschwindet, verschone ich euch. Die drei anderen bleiben allerdings hier.< sagte ich finster.
>Ich denke nicht daran den Schwanz einzuziehen und davonzulaufen.< fauchte der Indra in roter Rüstung, als er daraufhin seiner überschüssigen Magie freien Lauf ließ. Ich realisierte sofort, wo seine spezielle Fähigkeit lag und zuckte nicht mal mit der Wimper, als um mich herum rötliches Feuer in die Höhe schoss und mich wie ein zischender Wirbelsturm einschloss. Glühende Hitze leckte über meine Haut. Durch die Flammen hindurch beobachtete ich die beiden Männer, die wahrscheinlich dachten, dass dieses Feuer ausreichte, um mich lebendig zu grillen. Mit dieser Aktion hatten sie jedoch nichts weiter erreicht, als mich extrem zu verärgern. Ganz besonders wegen der Kleidung, die dem Feuer nicht wie meine Haut standhalten konnte. Der kostbare Stoff schmolz an einigen Stellen. >Wisst ihr was? Ich habe es mir anders überlegt.< Eisige Kälte sprach aus mir, während ich durch das Feuer schritt und die magische Barriere ohne Mühe durchbrach. >Ich zeige euch, zu was ein Verräter wirklich fähig ist.< Dann kam der dichte Nebel und damit auch die allesverschlingende Stille.