Cael
Ich ließ ihr Zeit. Welche Worte ihr auch auf der Zunge lagen, sie musste sich nicht beeilen. Hauptsache, sie hielt sich nicht zurück, sondern öffnete sich mir, damit ich endlich kapierte, was hier verdammt nochmal los war. Ruhig sah ich sie an, als sie daraufhin tief Luft holte und mir den ersten Hieb verpasste. Einen, der nicht wehtat. Er traf mich direkt in der Brust, tief ins Herz hinein. Es fühlte sich wie ein Sieg an, weil ich es mir nur in Träumen erlaubt hatte diese Worte von ihr zu hören. Bei den Vier Wasserfällen, ich hatte sie mir so sehr gewünscht, dass ich am liebsten laut gejubelt hätte. Aber sie war nicht fertig. Das war der Haken an der ganzen Sache. Ich erreichte mein Ziel nicht. Nicht bei ihr. Wie konnte ich mich freuen und gleichzeitig alles kaputtschlagen wollen?
Schwerseufzend kniff ich mir in die Nasenwurzel, ehe ich mir an den Nacken fasste und kurz zur Decke schaute, als könnte ich dort alle Antworten des Lebens finden. Leider starrte nur dunkles Holz zurück. Keine Weisheiten. Ich senkte den Blick zurück auf Ilea und zwang mich dazu meine Sicht der Dinge ruhig zu formulieren, damit sie mir gut folgen konnte. >Ryu und ich sind nicht hergekommen, um dauerhaft in Valaris zu bleiben. Demnach gehörte es nie zum Plan mich bindend auf eine Frau einzulassen - bis du vor mir erschienen bist. Ich habe dich gesehen und mich umgehend in dich verliebt. Das ist mir nie zuvor passiert und das macht dich zu meiner ersten Liebe, Ilea.< Ein bittersüßes Gefühl breitete sich in meiner Brust aus. >Meine Eltern und auch Ryus Eltern, bei ihnen war das ähnlich. Sie haben jeweils ihre erste große Liebe geheiratet. Sie hatten es nicht leicht, aber sie haben trotzdem zueinandergefunden und sind letztendlich sehr glücklich geworden. Aufgewachsen mit ihren Lebensgeschichten wünschte ich mir genau dasselbe. Eine Frau, die mich vom ersten Moment an in den Bann zieht. Die mir das Gefühl gibt, dass sie die Richtige ist. Genau dieses Gefühl habe ich bei dir gefunden. Und obwohl du anfangs eher distanziert warst, habe ich trotzdem die Hoffnung gehegt, dass ich dein Herz erreiche. Dass ich... dass ich dein erster und letzter Mann bin.< Es kostete mich einiges an Selbstbeherrschung und Mut weiterzusprechen, denn so verwundbar hatte ich mich noch nie gefühlt, aber ich wollte, dass Ilea verstand, was diese Situation mit mir anstellte. Wie sich das für mich anfühlte. >Vielleicht kannst du dir denken, wie es mich im ersten Moment tief getroffen hat, als ich erfahren habe, dass du dir die ganze Zeit einen anderen Mann an deiner Seite gewünscht hast und dass sich somit meine Wunschvorstellung von der ersten großen Liebe erledigt hat. Das bedeutet aber nicht, dass ich kein Mitgefühl für deinen tragischen Verlust empfinde. Gerade weil er dir gewaltsam entrissen wurde, respektiere ich deine Gefühle und dass du immer noch darunter leidest. Es ist trotzdem schwer für mich dein Freund zu sein und gleichzeitig jemand, dem zum ersten Mal das Herz gebrochen wurde. Wenn ich dir zeigen könnte, wie intensiv ich für dich empfinde, würdest du es selbst kaum glauben. Manchmal glaube ich es selbst nicht.< Mein Mundwinkel zuckte. Der Ansatz eines ironischen Lächelns. Ich schloss für einen Moment die Augen und sah sie dann wieder direkt an. Offen und ehrlich. >Es bedeutet mir wahnsinnig viel, dass du meine Gefühle erwiderst und ich akzeptiere es, dass du keine Entscheidung treffen willst oder kannst. Nur liebe ich dich nicht, um die zweite Wahl zu sein. Ich liebe dich nicht, um auf unbestimmte Zeit darauf zu warten, dass aus einem Vielleicht ein Für immer wird. Ich habe mehr verdient als das. Ich verdiene eine Frau, die mich bis über die Ewigkeit hinaus liebt. Da du Mattwei bereits über den Tod hinaus liebst, kann ich wohl nicht der Richtige für dich sein, also tu uns beiden einen Gefallen und wähle ihn.< Gerade Letzteres kam mir nur schwer über die Lippen, während das brennende Gefühl in meiner Brust scheinbar zur Gewohnheit wurde. Ich rieb mir unbewusst über die Stelle und schenkte Ilea ein kleines Lächeln. >Sei dir versichert, dass ich dich deswegen nicht aus meinem Leben ausschließen werde, aber ich hoffe, dass du jetzt einigermaßen verstehst, wie es mir mit alldem geht und dass ich in Zukunft mal etwas Zeit für mich brauchen werde, um mich zu sammeln. Letztendlich bleiben wir einfach Freunde. Das sollte reichen.<