Alair
> Du hast wirklich kein Problem damit, dass ich in ferner Zukunft deinen Bruder umbringen werde?< frage ich Leya, die auf einem Baumstumpf sitzt und sich das lange Haar zu einem Zopf flechtet. Die goldene Farbe schimmert im Schein der Sonne und ich setze mich neben ihr auf das Gras. > Das Schicksal hat entschieden und mein Bruder ist lange nicht mehr mein Bruder. Die Dunkelheit herrscht bereits zu lange auf dieser Welt. Wenn einer ihn aufhalten kann, dann du. Du allein!< Sie dreht den Kopf zu mir um und ihre warmen Augen blicken mich an. Wie immer bekomme ich heftiges Herzklopfen, wenn ich sie sehe, aber ich kann auch das besorgte Funkeln darin sehen. > Du musst nur auf dich aufpassen und nie aufgeben. Nie, selbst nicht im Tod. Du bist für etwas Großes geschaffen worden, also musst du alles für den Frieden tun!< fährt sie ernst fort und streicht mir mit ihrer zierlichen Hand über den Kopf. Diese Geste schenkt mir genug Frieden, um tief einzuatmen und mich mit meiner Lebensaufgabe abzufinden. Wenn sie an mich glaubt, dann muss ich auch an mich selbst glauben.
> Sieh doch, dein Gefährte wird auch immer an deiner Seite sein!< Sofort schaue ich mich um und entdecke Myoin, den Schleicher. In seiner Anmut kommt er auf mich zu und seine goldenen Augen mustern mich eingehend. Er senkt das Haupt zu mir, streicht mit der Schnauze über meine Stirn und erfüllt mich mit kraftvoller Magie. Schon immer habe ich größten Respekt vor diesem Wesen gehabt, mit jedem Tag mehr und mehr.
Seine reine Magie summt in meinen Adern und der Rubin an meiner Brust leuchtet auf, als würde er diesen Naturgott begrüßen wollen. Ich kann Stimmen hören, uralte Stimmen, die durcheinander sprechen und mir diverse Dinge zuflüstern. Kinderlachen folgt und Babygeschrei. Ich kenne sie, ich habe ihnen beigestanden, als sie das Licht der Welt erblickt haben und nun kann ich deutlich ihre Worte verstehen. Sie rufen meinen Namen, laut und durchdringend.
Keuchend öffnete ich die Augen und erblickte eine dunkle Umgebung. Kampfgeräusche waren zu hören, während die Erde unter mir bebte. Der Wind weinte, so auch die Bäume, die nacheinander den Boden mit ihrem Blut tränkten. In meiner Brust brannte es höllisch und ich wollte die Stelle berühren, jedoch schaffte ich es nicht einmal den kleinen Finger zu bewegen.
Erst da fiel mir auf, dass ich nicht allein war. Rue kniete neben mir und Tränen liefen über ihre Wangen. Warum? Ach ja, ich lag am Boden und war am Sterben. Oder? Fühlte sich so sterben an? Schwindel erfasste mich und plötzlich erschien eine helle Gestalt auf der anderen Seite neben mir, es war Leya. Ihr goldenes Haar schimmerte wie am ersten Tag, als ich sie erblickt hatte und ihr Lächeln erwärmte mich. Erwartete sie mich auf der anderen Seite? Sie war doch endgültig tot, oder? > Alair, du hast mir versprochen nie aufzugeben. Nur du kannst meinen Bruder aufhalten, so viele Leben zählen auf dich. Das ist nicht dein Ende. Steh auf und beende das, wofür du auserwählt worden bist. Du hast Freunde, die dich unterstützen und vor allem... Du hast endlich jemanden gefunden, mit dem du glücklich werden kannst!< Eine silberne Träne löste sich aus ihrem Augenwinkel, als sie sich hinabbeugte und mir einen gehauchten Kuss auf die Stirn gab. Die Stelle kribbelte angenehm und als nächstes tauchte mein Gefährte, der Schleicher, auf. Über uns grollte der Dämonendrache und die Baktrianer jubelten, denn sie waren der festen Überzeugung gesiegt zu haben. Aber das hatten sie nicht. > Rue...< hauchte ich schwach und sah sie nun direkt an. Ihr Gesicht war verschwommen, aber sie war immer noch verdammt schön und der Anblick der Tränen gefiel mir nicht. > Trete bitte... Zur Seite...< krächzte ich und spürte, wie die Magie im Rubin rebellierte. Sie wollte freigelassen werden, endgültig.
Saeda
Nacheinander schoss ich Pfeile ab und sorgte für eine Menge Toter, für die ich im Anschluss beten würde. Als Hohepriesterin hatte ich so einiges über das kostbare Leben gelernt, weswegen es mir nicht absolut egal war, wenn ich tötete.
Um uns herum flogen die Drachen aus Illyria, denn sie waren zur Unterstützung hergeflogen und bekämpften die Bodentruppen mit Feuer und ihrem schweren Körper. Auch Kaelyn sorgte mit ihrer Lichtbarriere dafür, dass die Schattenwesen nicht ins Tal eindringen konnten.
Cathal
Ich konnte immer noch nicht fassen, dass Alair gefallen war. Das war unmöglich. Er hatte sein Leben lang auf diesen Tag gewartet und hier sein Ende zu finden... Nein, das würde er selbst nie zulassen. Mein Blick fiel auf den König, der sich mächtiger denn je fühlte und seine Truppen anwies, Illyria endlich zu stürzen. Verdammt, das würde ich nicht zulassen. Dort lebte Kaelyns Familie und ich hatte versprochen diese zu beschützen.
Alair würde aufstehen, vielleicht war er ja nicht tot. Seine Seele war nicht in der anderen Welt, also gab es noch Hoffnung. Er musste durchhalten und den König mit seinem Drachen umbringen.