Tana
Als ich mit Jester in den Flur trat, bemerkte ich eine angespannte Stimmung. Hm, was hatte das zu bedeuten? Es schwebte niemand in Gefahr, aber dafür lauter unausgesprochener Geheimnisse. Das erkannte ich an den Signaturen der Auren in meiner unmittelbaren Nähe. Was hatte ich verpasst?
Da Jester nicht anhielt, sondern Richtung Aufzug ging, folgte ich ihm sogleich und brachte ihn in die Mensa. Nach wie vor war er sehr neugierig. Alles hier war völlig neu für ihn. > Falls du Fragen hast, stell sie ruhig.< sagte ich lächelnd und setzte mich an einen langen Tisch. Noch verspürte ich keinen Hunger.
Alvaro
Ich kam nicht weit mit meinen eigenen Gedanken, denn da tauchte plötzlich Naveen auf. Seine Worte waren gut gemeint. Das wusste ich. Aber er hatte keine Ahnung, wie schlimm das für mich war. Kinder auf die Welt zu setzen, mochte zwar das Wunder der Natur sein, in diesem Fall das Glücken eines Fruchtbarkeitszaubers, jedoch kam so viel Verantwortung auf uns zu, dass ich nicht wusste, wo ich mit der Ordnung beginnen sollte. Ich schluckte schwer.
Da ich mich dringend bewegen musste, löste ich mich von der Wand und ging eiligen Schrittes Richtung Aufzug. Ich entfernte mich nicht zu weit, sondern fuhr lediglich einen Stock tiefer, wo ich in den Fluren auf und abtigern konnte. Was sollte ich tun? Wie sollte ich es hinkriegen, das Ende der Welt abzuwenden und dabei an Kinder zu denken? An meine Kinder...
> Du hast gleich eine Panikattacke. Komm runter, Alva.< hörte ich Elin hinter mir ruhig sagen.
Ich wirbelte zu ihr herum. > Wie soll ich bitte ruhig bleiben? Ich habe gerade erfahren, dass Thekla von mir schwanger ist und das zu einem verdammt ungünstigen Zeitpunkt. Ich habe mich schon lange damit abgefunden, keine Kinder zeugen zu können und ich kam immer klar damit, aber das hier... Das hier ist einfach zu viel. Ich bin keine Maschine, die alles erträgt.<
> Auch Maschinen können Defekte haben, das stimmt. Aber man repariert die geschädigten Stellen und macht einfach weiter. Du bist eine Kämpfernatur. Du und Thekla werdet es schaffen. Ihr seid nicht allein.<
Ich schnaubte. > Und unser Feind auch nicht. Wenn auch nur einer von ihnen hiervon erfährt, sind wir geliefert. Thekla und die Zwillinge. Man wird versuchen, sie zu schnappen.<
> Und wir werden da sein, um das zu verhindern.< erwiderte Elin ernst und ihre hellen Augen begannen leicht zu leuchten. Sie war der festen Überzeugung, dass alles sich zum Guten wenden würde. Woher nahm sie bloß diese Gewissheit?
> Kannst du etwa in die Zukunft sehen? Denn wenn ja, will ich ein gutes Ende schriftlich zur Hand haben.<
Diesmal war es Elin, die augenrollend schnaubte. > Tu dir selbst den Gefallen und gib zu, dass du Angst hast. Für dich war es schon schwer genug, dich auf Thekla einzulassen, ihr dein Herz zu schenken und in den anderen Freundschaft zu finden. Jetzt wirst du Vater und du glaubst, dass du für all diese Leute ganz allein sorgen musst. Dass du sie verlieren könntest, so wie all die anderen zuvor. Werd erwachsen, Alva. Vergangenes kann schmerzen, aber gerade du musst am besten wissen, dass der Schmerz eine Lehre ist in der Zukunft alles besser zu machen.<
> Das ist leichter gesagt als getan.< flüsterte ich heiser und spürte einen dicken Kloß im Hals. Ich fuhr mir übers Gesicht, schloss die Augen. Fuck. Ich hatte wirklich Angst.