Tana
Ich trank mein Glas Wasser aus und leckte mir genüsslich über die Lippen, weil der Geschmack des Gerichts noch darauf haftete. Tiefes Wohlbefinden schlummerte in mir, ein Gefühl, das ich schon lange nicht mehr verspürt hatte. Nicht seit dem Tod meiner Eltern. Ich mochte die Gesellschaft von anderen, vor allem wenn ich mich mit ihnen blendend verstand, doch bei Naveen fühlte ich mich nicht nur wohl, sondern auch sicher. Ich vertraute ihm.
Deshalb fiel es mir schwer, seine Frage zu beantworten. Ich wollte bei ihm bleiben, auch über Nacht, doch ich konnte Barry nicht allein lassen und ihn einfach durch jemand anderes ersetzen. Und ich wusste nicht, ob es für Naveen ok wäre, meinen Kater in seiner Wohnung zu lassen, weil er manchmal Chaos stiftete. So wie Katzen eben manchmal waren. > Ich kann noch ein bisschen bleiben, aber danach fahre ich zurück. Barry hat bestimmt Hunger und ich möchte ihn ungern bis morgen allein lassen. Wenn es aber mal irgendwann ok wäre, könnte ich ihn mal hierher bringen. Er benimmt sich zwar nicht immer vorbildlich, doch neue Orte fachen seine Neugier an.< meinte ich lächelnd.
Alvaro
> Gute Nacht, zorra.< erwiderte ich leise und mit heiserer Stimme. Das Techtelmechtel hatte wohl seinen Tribut gefordert. Nun kratzte es unangenehm in meinem Hals, weshalb ich aufstand und nackt in die Küche ging, um mir dort eine Flasche Wasser zu holen. Nach ein paar Schlucken fühlte sich mein Hals schon viel besser an.
Während ich aus dem Fenster hinaus in die Dunkelheit starrte, nahm ich das leichte Ziehen und Brennen im Rücken wahr, das ich Theklas Nägeln zu verdanken hatte. Mit ihr war es immer wild. Mir gefiel das. Fast alles, was wir zurzeit unternahmen, machte irgendwie... Spaß. Sie ließ mich mehr wie ein Mensch als wie ein killender Roboter fühlen, ähnlich wie damals mit Irene. Was würde sie sagen, wenn sie meine Situation beurteilen müsste? Sie hatte stets weise Sprüche auf Lager gehabt, doch ausgerechnet jetzt, herrschte gähnende Leere in meinem Hirn. Jetzt, wo ich sie mal wieder brauchte. Nicht zum ersten und auch nicht zum letzten Mal. Würde die Leere, die sie hinterlassen hatte, je verschwinden? Konnte ich sie mit anderen Leuten füllen? Thekla vielleicht? Allerdings bezweifelte ich, dass Irene zu ersetzen war. Das eine konnte mit dem anderen nicht verglichen werden. Mit Thekla schlief ich, in Irene hatte ich eine Mutter gesehen.
Schwer seufzend verließ ich die Küche und blieb mitten im Flur stehen. Ich spielte mit dem Gedanken auf der Couch zu schlafen, um die Dinge nicht unnötig zu verkomplizieren, doch ich wurde das Gefühl nicht los, dass das Thekla verletzen würde. Kaum zu glauben, dass ich mir tatsächlich Gedanken darüber machte, wo es besser wäre zu schlafen.
Kopfschüttelnd setzte ich meinen Weg ins Schlafzimmer fort, fand Thekla auf der Seite liegend vor und legte mich neben sie ins Bett. Die Flasche stellte ich auf die niedrige Kommode, falls ich später wieder Durst bekam. Ich schloss die Augen, versuchte mich zu entspannen, doch das fiel mir nicht so leicht. Aus diesem Grund ließ ich mich einfach von meinen wirren Gedanken leiten.