Apollo
Ich sah den zweien kurz hinterher, ehe ich dann zu meiner Schwester ging, die sich mit ihren Jägerinnen unterhielt. > Artemis, können wir reden?< fragte ich sie lächelnd, verwirrt nickte sie. Ich legte eine Hand auf ihren Rücken, führte sie fort vom Lager und steuerte direkt auf den Wasserfall zu, dort war es einfach am besten. > Worüber willst du mit mir reden?< Immer noch verwirrt musterte sie mich eindringlich, woraufhin ich tief Luft holte und sie ernst anschaute. > Ich habe Hinata gestanden, dass ich sie liebe. Ich weiß, dass das ein gefährliches Terrain ist, aber es ist so. Ich will, dass du das weißt und außerdem... Vidar, bringt er dich durcheinander?<
Als hätte sie der Blitz getroffen, riss sie sich von mir los und funkelte mich böse an. Ihre Lippen fest zusammengepresst. > Zuerst teilst du mir mit, dass du dich für ein menschliches Leben entschieden hast und jetzt hackst du auf mir rum? Was ich denke oder fühle geht dich nichts an!< Ihren Augen spien Feuer, aber ich kannte sie besser. > Es tut mir leid, was damals passiert. Wenn ich es rückgängig machen könnte, ich würde es tun. Was damals mit Orion passiert ist, das habe ich mir nie verziehen!< gestand ich ihr mit gequälter Miene und ihre harten Gesichtszüge entgleisten. Schockiert sah sie mich an. > Das ist lange her und wir waren beide sehr jung gewesen. Es ist nicht deine Schuld, es ist einzig und allein meine gewesen!< erwiderte sie tonlos, ihre Schultern tief gesenkt. Ich schüttelte den Kopf und ging auf sie zu, um ihr meine Hände auf die Schultern zu legen. > Nein, ich habe dich damals zu dieser Wette gelockt, damit du ihn eigenhändig umbringst. Zeus hat befürchtet, du würdest diesem Mann verfallen und deine Fähigkeiten als Kämpferin verlieren, weswegen er mich beauftragt hat, dir das Herz zu brechen. Weil du mir am ehesten verzeihen würdest. Aber ich leide immer noch darunter, du hast mir nicht verziehen!< Meine Augen schimmerten traurig und sie wandte schnell den Blick ab.
Artemis
Warum kam er jetzt mit dieser Geschichte? Das war verdammt lange her. Es hatte nichts mit der Gegenwart zu tun, also warum erinnerte er mich daran? Ich presste die Lippen fest zusammen, ballte die Hände zu Fäusten und schüttelte den Kopf. > Nein, ich habe dir verziehen, Apollo. Ich habe nur mir nicht verziehen. Ich hätte nicht so fühlen dürfen, immerhin habe ich einen Ruf, den ich schützen muss. Jägerinnen haben ihr Leben verloren, wenn sie einem Mann zu nahe gekommen waren und ich? Ich habe mich beinahe in einen Mann... Verliebt!< Dieses eine Wort hasste ich abgrundtief, weil es so viel Macht über mich besaß. Aus diesem Grund fürchtete ich auch Eros, denn seine Aufgabe war es, vom Schicksal ausgesuchte Paare zusammenzuführen. Orion wäre ein passender Mann gewesen, aber mein göttliches Dasein hatte das nicht ermöglicht. > Artemis, sieh mich an. Es ist nichts Schlimmes, verliebt zu sein. Schau hoch...< Er hob mein Kinn an, so weit, dass ich in den Sternenhimmel schauen konnte. > Er ist da, Orion, du hast ihn als Sternbild verewigt. Du hast um Verzeihung gebeten und jetzt ist er immer da, wenn die Nacht einbricht. Ich bin mir sicher, dass er dir das nicht übel nimmt. Du musst das endlich hinter dir lassen, ich ertrage deine Einsamkeit nicht mehr!< Mit flehendem Blick musterte er mich eingehend, beinahe wurde ich schwach. > Nein, ich bin nicht einsam. Das bin ich nie gewesen. Ich habe die, die ich brauche, um ein erfülltes Leben zu führen. Ich bin die Göttin der Jungfräulichkeit, Apollo. Erwartest du von mir, dass ich dieses jahrhundertelange Bild zerstöre? Wegen niederen Gelüsten?< Nun war ich wieder wütend, was ihn leise aufseufzen ließ.
> Das ist aber nicht gerecht, Schwester. Dass du auf die Liebe verzichten musst, nur um deinen Ruf zu wahren. Bin ich schwächer geworden, weil ich Hinata liebe?< Diese Frage meinte er doch nicht ernst. Am liebsten wollte ich ihn schlagen, ihm sagen, dass er verrückt geworden war. > Ich will nicht mehr drüber reden, es reicht. Ich habe mich schon vor sehr langer Zeit dafür entschieden, enthaltsam und ohne Liebesbeziehung zu leben. Das hat bisher wunderbar geklappt. Und weder du noch Eros werden etwas daran ändern!< Damit beendete ich diese unangenehme Unterhaltung und wandte mich dem Gehen zu. > Warum habe ich dann das Gefühl, dass Vidar mehr als nur ein 'Mann' ist!?< Abrupt blieb ich stehen. Ich atmete tief durch, drehte den Kopf zu ihm um und kniff die Augen zusammen. > Er ist mein Held, also ist er nicht bloß ein Mann. Aber das wars auch schon!< Apollo verstummte, seine Augen sprachen jedoch Bände. Er glaubte mir nicht, aber das war mir egal. Wir kehrten stillschweigend zurück zum Lager, als Vidar in einer ungewohnten Lautstärke etwas über einen Fedon erzählte. Apollo versteifte sich sofort und warf ihm einen vernichtenden Blick zu. Ich hingegen beschloss, einen Spaziergang zu machen. Das Gespräch hatte mich zu sehr aufgewühlt, als dass ich einfach stillsitzen konnte.